Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx
dieses Wohltätigkeitsvereins beisteuert. Und auch der stellvertretende Regionalpräsident. Und natürlich konnte auch der Provinzialbeirat zur Sozialfürsorge nicht fehlen. Ebenso wenig der Stadtrat. Sie haben da in ein richtiges Wespennest gestochen, ist Ihnen das klar?«
»Signor Questore, als ich da hineingestochen habe, wusste ich ja noch nicht, dass es ein Wespennest war. Im Gegenteil, das Ganze wirkte nicht im Mindesten wie ein Wespennest. Ich habe lediglich der Person, die mir von Monsignor Pisicchio genannt worden war, nämlich Guglielmo Piro, ein paar Fragen gestellt.«
»Welcher behauptet, Sie hätten während Ihres Überfalls einen beleidigenden, inquisitorischen Ton angeschlagen.«
»Überfall? Aber er selbst hat mir doch den Termin gegeben!«
»Dürfte ich wenigstens erfahren, warum Sie diesen Monsignor Pisicchio und seinen Verein belästigt haben?« Mit engelsgleicher Geduld erklärte Montalbano ihm, wie er dazu gekommen war.
Als der Questore wieder sprach, hatte sich sein Ton ein klein wenig verändert.
»Das ist eine verdammt heikle Angelegenheit, verstehen Sie?«
»Das sehe ich auch so. Aber wir stoßen bei unseren Ermittlungen doch immer auf einen ehrenwerten Abgeordneten, auf einen Priester, einen Politiker und auf einen Mafioso, die dann eine Kette bilden, um denjenigen zu schützen, gegen den möglicherweise ermittelt wird.«
»Montalbano, ich flehe Sie an! Verschonen Sie mich um Himmels willen mit Ihren Theorien! Im Klartext gesprochen, glauben Sie, dass zwischen dem Wohltätigkeitsverein und der ermordeten jungen Frau eine Verbindung bestehen könnte?«
»Ich halte mich nur an die Fakten. Ich musste zwangsläufig zu denen vom »Guten Willen« gehen, weil zwei weitere junge Frauen mit genau dem gleichen Tattoo wie dem der Ermordeten von diesem Verein betreut wurden. Also, wenn das nicht genug Verbindung ist…!«
»Glauben Sie denn, dass noch was anderes dahintersteckt?«
»Ja, aber mir ist noch nicht ganz klar, was das sein könnte.«
»Dieses ›Noch‹ von Ihnen ist es, was mir Sorgen macht.«
»Wie meinen Sie das?«
»Wie lange stellen Sie noch Ermittlungen über den Verein an?« - Wie sollte er sich denn jetzt auf eine Zeitspanne festlegen?
»Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen.«
»Dann sage ich es Ihnen. Ich gebe Ihnen vier Tage, nicht einen mehr.«
»Und wenn die mir nicht reichen?«
»Sehen Sie zu, dass Sie damit auskommen. Und in diesen vier Tagen, das lege ich Ihnen wärmstens ans Herz, lassen Sie bitte allergrößte Behutsamkeit walten.«
»Keine Sorge, ich werde reichlich Vaseline verwenden.« Verdammt, das war ihm so herausgerutscht! »Versuchen Sie nicht, den Witzbold zu spielen, denn bei der ersten Beschwerde werden Sie derjenige sein, der's abkriegt, und zwar ganz ohne Vaseline! Sollte jemand zu mir kommen und Ihre Art zu ermitteln beanstanden, ziehe ich Sie sofort von dem Fall ab. Und selbst wenn Sie nach Canossa gingen, würde ich mich unwissend stellen und Ihnen sagen: ›Ti conosco, mascherina!‹ Ich durchschaue dich!« Montalbano wurde von einem Schwindelgefühl erfasst, als er jene wohlformulierten Worte hörte. Sie riefen Widerwillen in ihm hervor. Aber wie reagierte man ebenbürtig darauf?
»Kurz gesagt, Signor Questore: Der Schuldige muss zahlen.«
»Ich sehe, Sie haben mich vollkommen verstanden.« Im Vorzimmer stand Lattes und sprach mit jemandem. Doch sobald er Montalbano aus dem Büro des Polizeipräsidenten kommen sah, stürzte er durch die erste offen stehende Tür und verschwand.
Mit Sicherheit wollte er keinen Kontakt mit Montalbano, dem Ausgestoßenen, dem Exkommunizierten, dem zum Himmel stinkenden Antiklerikalen, der die wunderbare Familie, die er, der Madonna sei Dank, gegründet hatte, überhaupt nicht verdient hatte.
Es war spät geworden, und Montalbano hatte einen Appetit, der ihn bei lebendigem Leib auffraß. Vielleicht war dieser Appetit wegen der Anstrengung, bei der Begegnung mit Bonetti-Alderighi ruhig zu bleiben, so ungezügelt über ihn gekommen.
»Heute ist frischer Fisch gekommen!«, sagte Enzo zu ihm, sobald er die Trattoria betreten hatte. Er verschlang nicht nur den Fisch, sondern machte am Ende auch noch seinen gewohnten Spaziergang bis unter den Leuchtturm. Der Angler saß da, wo er immer saß. »Ich hab mich geirrt«, sagte er. »Hat doch keine ganze Woche angehalten.«
»Umso besser. Wann gibt's wieder Regen?«
»Nicht so bald.«
Kaum war er an der Flachklippe angelangt, kam ihm in den Sinn, wer weiß aus
Weitere Kostenlose Bücher