Commissario Montalbano 12 - Die Spur des Fuchses
merkwürdig oder nicht, ich brauchte eine. Und wenn du meinen Rat willst: Du solltest dir auch mal die Augen kontrollieren lassen.«
»Ich sehe noch ausgezeichnet!«
»Das sagst du. Aber mir ist aufgefallen, dass du seit einiger Zeit die Arme ausgestreckt hältst, wenn du etwas liest.«
»Und was bedeutet das?«
»Das bedeutet, dass du weitsichtig bist. Nun mach nicht so ein Gesicht! Eine Brille tragen ist schließlich nicht das Ende aller Tage!«
Ganz sicher nicht das Ende aller Tage, wohl aber das Ende des Erwachsenenlebens. Eine Brille tragen bedeutete, vor dem Alter zu kapitulieren, ohne auch nur den geringsten Widerstand zu leisten.
»Also, wie heißt der Höhlenmensch nun?«, fragte er ruppig. »Firruzza Antonio. Er hält dort die Anlage in Ordnung und vertritt derzeit den Aufseher, der Ippolito Vario heißt.«
»Und wo ist der Aufseher?«
»Im Krankenhaus.«
»Folglich hatte in der Nacht des Diebstahls Firruzza Wache?«
»Nein, das war Ippolito.«
»Dann heißt der also mit Nachnamen Vario?« Er war unkonzentriert. Es gelang ihm einfach nicht, den Blick von dem bebrillten Augello abzuwenden. »Nein, sein Vorname ist Vario.«
»Ich versteh überhaupt nichts mehr.«
»Salvo, wenn du nicht aufhörst, mich ständig zu unterbrechen, komme ich selbst ganz durcheinander. Also, wie wollen wir's machen?«
»Schon gut, schon gut.«
»Also, in der besagten Nacht wird Ippolito gegen zwei Uhr von der Klingel geweckt.«
»Lebt er allein?«
»Ich glaub's nicht! Lässt du mich jetzt ausreden oder nicht? Ja, er lebt allein.«
»Entschuldige, aber würde dir ein leichteres Gestell nicht besser stehen?«
»Beba gefällt's. Kann ich weitermachen?«
»Ja,ja.«
«Ippolito steht auf, weil er glaubt, dass Lo Duca von außerhalb gekommen ist und seine Pferde zu sehen wünscht. Das hat er auch sonst schon mal gemacht. Er nimmt eine Taschenlampe und geht zur Schranke. Du musst dir vorstellen, es ist finsterste Nacht. Doch als er vor dem Mann steht, der darauf wartet, durchfahren zu können, merkt er, dass das gar nicht Lo Duca ist. Er fragt ihn, was er will, und der richtet als Antwort den Revolver auf ihn. Ippolito wird gezwungen, die Absperrung mit dem Schlüssel aufzuschließen und hochzuheben, der Mann lässt sich den Schlüssel aushändigen und schickt Ippolito dann zu Boden, indem er ihm mit dem Revolverknauf einen gewaltigen Schlag auf den Kopf versetzt.«
»Also hat der Aufseher nichts mehr sehen können. Ach übrigens, wie viel Dioptrien hast du eigentlich?« Mimi stand wütend auf. »Was hast du vor?«
»Ich gehe. Und ich werde erst dann wiederkommen, wenn du deine Brillenmanie überwunden hast.«
»Jetzt setz dich wieder, komm schon. Ich schwöre auch, dass ich dich nichts mehr zu der Brille frage.«
Mimi setzte sich wieder hin.
»Wo war ich stehen geblieben?«
»Der Aufseher hatte den Mann, der ihn angegriffen hat, nie zuvor gesehen?«
»Nie. Das Ende der Geschichte ist, dass Ippolito von Firruzza und zwei weiteren Männern, die sich um die Pferde kümmern, gefunden wurde, und zwar in seinem Haus. Er lag dort gefesselt und geknebelt und mit schwerem Schädeltrauma.«
»Dann kann es ja kaum Ippolito gewesen sein, der die Esterman angerufen und sie über den Diebstahl informiert hat.«
»Offensichtlich nicht.«
»Dann war es vielleicht Firruzza.«
»Der?! Unmöglich.«
»Wer war es denn dann?«
»Ist das so wichtig? Kann ich jetzt mal weitermachen?«
»Entschuldige.«
»Jedenfalls sehen Firruzza und die beiden anderen Männer sofort, dass zwei Boxen offen stehen, und ihnen wird klar, dass zwei Pferde gestohlen wurden.«
»Wieso denn zwei?«, fragte Montalbano überrascht. »Weil es eben zwei waren, die sich im Übrigen ziemlich ähnlich sahen: das von Signora Esterman und ein Pferd von Lo Duca.«
»Wollen wir wetten, dass die die Qual der Wahl hatten? Und weil sie nicht wussten, welches das richtige war, haben sie einfach alle beide mitgenommen.«
»Das habe ich Pignataro auch gefragt, und der…«
»Wer ist Pignataro?«
»Einer der beiden, die sich jeden Tag um die Pferde kümmern. Matteo Pignataro und Filippo Sirchia. Pignataro behauptet, dass unter den vier oder fünf Leuten, die die Pferde gestohlen haben, wenigstens einer gewesen sein muss, der etwas von Pferden verstand. Stell dir vor, aus dem Geräteschuppen haben sie die passenden Geschirre der beiden Pferde mitgehen lassen, einschließlich der Sättel. Es gab also keine Qual der Wahl, sondern sie haben genau gewusst, wen oder
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