Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache
glaube, dass die Sache sich schon bald zu unseren Gunsten wenden wird, schreibe ich dir, wie die Dinge meiner Meinung nach gelaufen sind. Ich hatte dir ja schon am Telefon die Geschichte von Giovanni Alfano angedeutet, dessen Vater Filippo dem Gerücht nach auf Anweisung von dem Mafiaboss Balduccio Sinagra aus Vigàta beseitigt wurde. Alfanos Frau Dolores, eine Kolumbianerin, wurde einige Zeit nachdem sie nach Vigàta zog, von einem ortsansässigen Metzger hofiert. Er heißt Arturo Pecorini, ein gewalttätiger Mann, gegen den wegen Mordes ermittelt wird. Um es kurz zu machen: Die beiden werden ein Liebespaar. An diesem Punkt schreitet Balduccio ein, um die Ehre Giovannis zu schützen, der schon lange fernab von Vigàta ist, weil er zur See fährt. Balduccio hängt sehr an Giovanni. In der Stadt erzählt man sich, dass Balduccio Giovannis Vater habe umbringen lassen, weil er glaubte, der sei ein Verräter. Erst später wurde ihm bewusst, dass er einen schrecklichen Fehler begangen hatte. Doch das sind alles Gerüchte, es gibt keine Beweise, dass Balduccio den Mord in Auftrag gegeben hatte. Balduccio verlangt von Dolores, für einige Zeit nach Kolumbien zurückzukehren, und zwingt Pecorini unter Drohungen, nach Catania umzuziehen. Hier eröffnet Pecorini eine Metzgerei, zusätzlich zu der, die er weiterhin in Vigàta hat, mit seinem Bruder als Geschäftsführer. Nach einer gewissen Zeit kehrt Dolores nach Vigàta zurück, und auch Pecorini erhält die Erlaubnis, samstags und sonntags dorthin zu kommen. Die Affäre zwischen den beiden ist dem Anschein nach vorbei. Doch in Wahrheit ist dem nicht so. Die beiden sehen sich weiterhin und fordern die Gefahr förmlich heraus. Dabei musst du bedenken, dass Pecorinis Wohnung in Vigàta weniger als fünfzig Meter von der von Dolores entfernt ist. Giovanni kehrt für lange Zeit zurück, und das bringt sie auf die Palme. Giovanni ist unendlich verliebt in sie, und wenn er mit ihr zusammen ist, holt er alles nach, auch und vor allem in sexueller Hinsicht, auf was er während seiner Abwesenheit verzichten musste. Die Frau erträgt ihn nicht länger. Und so entschließen sich Dolores und ihr Geliebter, Giovanni aus dem Weg zu räumen und die Schuld Balduccio in die Schuhe zu schieben. Das muss eine Idee des Metzgers gewesen sein, um sich an Balduccio zu rächen. Dabei darfst du nicht vergessen, dass Giovanni nichts von der Geschichte zwischen Dolores und Pecorini weiß, weil Balduccio Giovannis Freunden auferlegt hatte, Stillschweigen zu bewahren. Er wollte nicht, dass er gekränkt wurde. Am Morgen des dritten September fahren Giovanni und seine Frau nach Gioia Tauro, mit dem Wagen von Dolores. Sie erzählt ihrem Mann, dass sie tags zuvor einen Anruf von einem Freund aus Catania erhalten habe, der sie beide zum Mittagessen einlädt, weil er wusste, dass sie auf dem Weg nach Gioia Tauro dort vorbeikommen würden. Das ist allerdings meine Vermutung, es könnte auch sein, dass Dolores sich irgendetwas anderes ausgedacht hat. Wichtig ist nur, dass sie ihren Mann überredet, in Catania zu halten und in die Wohnung des Metzgers zu gehen. Dabei musst du bedenken: Giovanni weiß nicht, dass Pecorini der Liebhaber seiner Frau war und es immer noch ist. Pecorini empfängt sie bei sich zu Hause, und nach dem Mittagessen ermordet er Giovanni mit einem Genickschuss. Es ist wichtig, dass du herausfindest, ob Pecorini eine Garage hat, ich glaube nämlich, dass der Mord dort stattgefunden hat. Und lass sie von der Spurensicherung genau untersuchen, ich bin sicher, sie werden Spuren von Giovannis Blut finden. Denn dort zerlegt Pecorini mit Dolores’ Hilfe sein Opfer in dreißig Stücke. Warum? Weil er von Dolores weiß, dass Giovanni ihr erzählt habe, sein Vater wäre mit einem Genickschuss umgebracht und dann in dreißig Stücke zerlegt worden, die, dem Ritual der Mafia gemäß, auf die dreißig Silberlinge des Judas, des Verräters, hindeuten. Und die beiden tun das Gleiche, damit alle glauben, dies sei die Unterschrift, die Chiffre von Don Balduccio, der Giovanni als untreuen Kurier habe hinrichten lassen, genau so, wie er es bei seinem Vater angeordnet hatte. Nach der Zerlegung der Leiche steckt Pecorini diese in einen Plastiksack und fährt nach Vigàta. Er vergräbt die Überreste am Critaru, das heißt auf dem Töpferacker, ähnlich der Stätte, an der Judas sich erhängte. Das ist noch so ein genialer Einfall, um glauben zu machen, es handle sich um ein Mafiaritual. Dolores, die
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