Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
zufrieden. »Was ist mit dem Kredit? Die Banken legen doch in aller Regel großen Wert darauf, ihre Ansprüche durch einen Eintrag im Grundbuch zu dokumentieren, und das erstrangig!«
Kirchrather nickte. »Natürlich. Deshalb vermute ich, dass die Topolinis die Immobilie zu hundert Prozent mit Eigenkapital bezahlen wollten. Ohne Fremdfinanzierung muss keine Grundschuld im Grundbuch eingetragen werden, und keine Bank stellt unangenehme Fragen.« Kirchrather lachte höhnisch. »Auch wenn die italienischen das sowieso meistens nicht tun. Was ihren maroden Zustand erklärt.«
Der Alte hielt kurz inne, dann zuckte er die Schultern. »Strafrechtlich ist Karls Vorgehen nicht relevant. So eine Verbandssatzung ist ja kein Gesetz. Da geht es um eine rein zivilrechtliche Angelegenheit. Sicher, der Verband hätte eine Zivilklage mit einem entsprechend hohen Streitwert angestrengt, wenn die Sache ans Licht gekommen wäre. Aber das ist nebensächlich. Der entscheidende Punkt ist, dass Karl in Meran zur Persona non grata geworden wäre. Er wäre mit Schimpf und Schande aus dem Verband gejagt worden. Keiner von uns hätte mit ihm mehr Geschäfte gemacht.«
»Woher wissen Sie eigentlich von der ganzen Sache?«, schaltete sich Pavarotti wieder ein.
Kirchrather verzog das Gesicht. »Durch Niedermeyer natürlich.«
Der Commissario beugte sich abrupt nach vorne, elektrisiert durch diese neue Information.
»Niedermeyer hatte auf einmal eine Kopie des Vorvertrags über den geplanten Verkauf. Woher, weiß ich nicht. Er kam damit zu mir und wedelte mit dem Dokument vor meiner Nase herum. Das war am letzten Samstag, vor unserem Stammtisch.«
Kirchrather räusperte sich kurz und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Wegen der angeblichen Verpachtung an die Italiener waren wir alle sowieso schon entsetzt, schon wieder so ein Filialist in den Lauben. Bei dem Stammtisch wollten wir ein letztes Mal überlegen, ob wir das Geschäft irgendwie torpedieren können. Aber natürlich dachte niemand von uns an einen Immobilienverkauf. Auf die Idee, dass Karl eine solche Ungeheuerlichkeit vorhaben könnte, ist keiner gekommen.«
Der Alte stockte und strich sich erneut durch seinen grauen Haarschopf. »Und dann stand plötzlich Niedermeyer mit dem Computerausdruck vor mir. Ich war wie vor den Kopf geschlagen, aber ich habe die Echtheit des Dokuments keinen Moment in Zweifel gezogen. So war Karl eben, geschäftlich völlig skrupellos. Er hatte so eine Verwegenheit, eine Art Mantel-und-Degen-Mentalität, die ihm trotz allem bei vielen Sympathien einbrachte. Dieser freche, tollkühne Immobiliendeal passte zu ihm.«
»Und dann haben Sie gemeinsam mit Niedermeyer den Plan ausgeheckt, Karl Felderer mit dem Vertrag zu erpressen? Ja, haben Sie beide denn total den Verstand verloren? Erpressung ist doch kein Kavaliersdelikt! Und um was ging es doch noch gleich? Um das Erscheinungsbild der Lauben, wenn ich mich nicht irre, also um eine Marketing-Angelegenheit!« Pavarotti kniff die Lippen zusammen. Das war wieder einmal ein Paradebeispiel dafür, wie schnell sich manche Leute zu kriminellen Aktionen hinreißen ließen, weil sie dem, was ihnen wichtig erschien, eine übersteigerte Bedeutung beimaßen, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hatte.
Doch der Alte schüttelte vehement den Kopf. »Nein, so war es nicht, Commissario. Ich hatte nichts damit zu tun. Es war zu spät, ich konnte auch nichts mehr machen, um Klaus zur Vernunft zu bringen. Er hatte die Unterlagen schon ein paar Stunden vorher an Karl gemailt und ihm gedroht, er werde den Vorvertrag den ›Dolomiten‹ zuspielen, wenn Karl die Verhandlungen mit den Topolinis nicht schleunigst abbräche.«
»Warum hat Niedermeyer das getan, was meinen Sie?«, fragte Pavarotti. »Es musste ihm doch klar sein, dass er sich damit strafbar macht!«
Kirchrather lehnte sich zurück und verzog seinen Mund zu einem sarkastischen Lächeln. »Um die Lauben ist es Klaus jedenfalls nicht gegangen. Ich kann mir bei ihm gleich mehrere Beweggründe vorstellen. Zum einen wollte er bestimmt nicht noch mehr Konkurrenz, die ihm die Preise kaputt macht. Außerdem war er schon fast krankhaft eifersüchtig auf Karls Machtposition im Verband. Er wollte ihn verdrängen und sah in seinem Fund die Möglichkeit, Karl vom Thron zu schubsen.« Kirchrather zögerte, fügte dann aber noch hinzu: »Deswegen hatte er wohl auch gar kein Interesse daran, abzuwarten, ob sich Karl am Ende doch noch gütlich mit uns
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