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Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Titel: Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Florin
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schmutzige Wäsche von damals wieder ans Tageslicht zerrst. Mehr nicht. Mir ist klar, dass du den Kerl nicht leiden kannst. Aber lass die Emotionen da raus.«
    Pavarotti ignorierte Lissies saure Miene genauso wie seine schmerzenden Muskeln und stemmte sich mühsam von der Sitzbank hoch. Er öffnete seinen Rucksack und schob Lissie eine Kopie der Fallakte hinüber. Brunthaler hatte sie auf seinen Befehl hin angefertigt, nicht ohne dem Commissario einen scheelen Blick zuzuwerfen. Eine kritische Bemerkung hatte sich der Angsthase natürlich verkniffen. Von Fallakten hatte eigentlich nur das Original zu existieren; es war nicht erlaubt, Kopien anzufertigen. Ganz streng verboten war es, dienstliche Unterlagen an Zivilpersonen weiterzugeben. Doch davon, dass er das gerade tat, wusste Brunthaler ja nichts. Auf Brunthaler, der seine mangelnden kriminalistischen Fähigkeiten dadurch kompensierte, dass er jedes Memorandum aus Rom auswendig lernte, konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen. Der Fall verlangte unkonventionelle Methoden. Lissie ging die Dinge einfach anders an als er, und das wollte er sich zunutze machen. Pavarotti musste anerkennen, dass Lissie ihr kriminalistisches Gespür in diesem Fall bereits recht wirkungsvoll zum Einsatz gebracht hatte.
    »Steck mal deine Nase in die Fallakte«, sagte er zu ihr. »Vielleicht fällt dir ja was auf, was ich übersehen habe. Ich geh jetzt ins Bett. Und morgen, sobald wir wieder in der Zivilisation sind, knöpfe ich mir Felderer senior vor. Damit du endlich Ruhe gibst.«
    Lissie nickte und verbiss sich die Bemerkung, dass die Vernehmung von Emil Felderer für ihren Geschmack viel zu spät kam. Wie richtig sie mit dieser Meinung lag, sollte sich schnell herausstellen.
    * * *
    Es war sehr früh am Morgen, aber noch war kein Lichtschimmer am Horizont zu sehen. Während Lissie und Pavarotti auf der Leadner Alm in ihren Betten lagen, saß unten im Tal ein Mann in seinem Arbeitszimmer.
    Er war im Bett gewesen, hatte aber nicht schlafen können. Nachdem er sich stundenlang von einer Seite auf die andere gewälzt hatte, war er schließlich aufgestanden, hatte seinen Morgenmantel angezogen und sich einen großen Cognac eingegossen. Dem ersten Glas waren dann noch einige weitere gefolgt. Auf einen klaren Kopf konnte er inzwischen verzichten, denn aus seiner Situation gab es sowieso keinen Ausweg mehr.
    Alle seine Anstrengungen, sich aus seiner verzweifelten Lage zu befreien, waren mittlerweile gescheitert. Mit seinen Versuchen, sich zu retten, hatte er sogar noch mehr Schaden angerichtet und sich immer weiter verstrickt. Jetzt war es endgültig aus und vorbei.
    Er verspürte nicht die geringste Lust, mitzuerleben, wie sie sich über ihn die Mäuler zerreißen und seinen Ruf in den Schmutz ziehen würden. Seine alte Armeepistole hatte er schon bereitgelegt. Ihm blieb jetzt nur noch das Vergnügen, seinen Feind ebenfalls mit ins Verderben zu ziehen.
    Der Mann beugte sich vor, öffnete die Schreibtischschublade und zog ein paar Papierbogen zu sich heran. Er schraubte die Verschlusskappe von seinem geliebten Montblanc ab und begann zu schreiben. Eine ganze Weile war nur noch das Kratzen der Feder auf dem Papier zu hören.
    Dann war es wieder geraume Zeit still, als der Mann das Geschriebene noch einmal sorgfältig durchlas. Er durfte keinen Fehler machen. Alle Glieder der Beweiskette mussten lückenlos ineinandergreifen. Denn er würde keine Chance mehr haben, nachzubessern, wenn Zweifel an seiner Darstellung aufkamen. Er würde tot sein.
    Plötzlich glaubte er, ein Geräusch zu hören, und hob den Kopf. In der Tür stand eine Gestalt. Als er sah, wer es war, schoss dem Mann die Zornesröte ins Gesicht.
    »Was fällt dir ein, hier aufzutauchen? Wie bist du überhaupt hereingekommen? Hau ab, geh mir aus den Augen!«, brüllte er.
    Die Gestalt hob die rechte Hand, um die irgendetwas gewickelt war. Ein merkwürdiges, dumpfes »Plopp« ertönte. Dann trat sie an den Schreibtisch heran und machte sich eine Weile dort zu schaffen. Nach etwa einer Viertelstunde tat die Gestalt dann endlich das, wozu sie der Mann aufgefordert hatte. Sie verschwand.

NEUN
    Montag, 9. Mai
    Es schellte. Pavarotti fuhr aus einem tiefen, traumlosen Schlaf hoch und knallte mit dem Kopf gegen die tief angesetzte Dachschräge. Stöhnend rieb sich der Commissario den Schädel und war zutiefst dankbar, dass es sich bei diesem Teil der Wand nur um Rigips und nicht um solides Mauerwerk handelte. Als Pavarotti sich einigermaßen

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