Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
berappelt hatte, erinnerte er sich wieder, wo er sich befand. Mühsam versuchte er, die Ereignisse des Vortags in einen einigermaßen klaren Zusammenhang zu bringen. Zu diesem Zweck ließ er sich wieder ins Kissen zurücksinken, doch das fortgesetzte Schrillen störte beträchtlich. Pavarotti streckte die Hand zum Nachttisch aus, um den Wecker abzustellen. Plötzlich merkte er, dass es sich bei dem Geräusch überhaupt nicht um die Weckfunktion seines Handys handelte. Ungläubig betrachtete er das Gerät, auf dem ihm die aktuelle Zeit entgegenblinkte. Wer in aller Welt besaß die Unverfrorenheit, ihn morgens um Viertel vor sechs anzurufen? Wieso hatte er hier oben eigentlich Empfang?
Grollend nahm er das Gespräch entgegen. Es war Emmenegger.
»Gut, dass ich Sie erreich, Herr Kommissar. Wir haben wieder eine. Eine ganz frische.«
Obwohl Pavarotti bereits ahnte, worauf diese Meldung hinauslief, sah er ganz und gar keine Veranlassung, Emmenegger seine sprachliche Ungenauigkeit durchgehen zu lassen. »Drücken Sie sich wenigstens klar aus, wenn Sie mich schon in aller Frühe aus dem Bett holen, Mann! Also: Eine was haben wir?«
Aber an Emmenegger prallte die Rüge ab, wie immer. »Eine frische Leiche, Commissario. Noch keine Stunde alt.« Kurze Stille im Hörer. »Jetzt hat’s auch noch den Alten erwischt. Aber es war Selbstmord, Commissario. Erschossen hat er sich, in seinem Arbeitszimmer.«
Pavarottis Laune sackte in Sekundenschnelle auf den Tiefpunkt. »Wollen Sie damit andeuten, dass Emil Felderer tot ist?« Noch hoffte er, dass es sich um ein Missverständnis handelte.
»Ja genau, Herr Kommissar! Das haben S’ aber gut geraten!«
Pavarotti fluchte unterdrückt. Er hatte Felderer senior zwar nie ernsthaft verdächtigt, seinen Sohn umgebracht zu haben. Aber die Rolle, die der Alte während der Bombenjahre gespielt hatte, war zumindest dubios. Vielleicht hatte das irgendwie doch die aktuellen Ereignisse in Gang gesetzt. Pavarotti hätte sich ohrfeigen können. Er musste sich eingestehen, dass er das unangenehme Gespräch mit dem Alten, der ihn ungut an seinen eigenen Vater erinnerte, immer wieder hinausgeschoben hatte. Zu lange, wie sich jetzt herausstellte.
Entschlossen schwang der Commissario die Beine aus dem Bett. Es half alles nichts. Aus dem Mobiltelefon war ein aufforderndes Schnaufen zu hören. Dem Ernst der Lage zum Trotz grinste er. Emmenegger und Brunthaler wünschten sich bestimmt nichts so sehnlich herbei wie Pavarottis umgehendes persönliches Erscheinen vor Ort, damit sie das Denken wieder einstellen und Däumchen drehen konnten. Aber die beiden unfähigen Figuren wagten es offenbar nicht, ihren Vorgesetzten zu nachtschlafender Zeit zu einem Tatort zu bitten. »Hören Sie jetzt genau zu, Sergente. Benachrichtigen Sie schon mal die Gerichtsmedizinerin und die Spurensicherung. Fassen Sie mir bloß nichts an, und lassen Sie niemanden an den Tatort. Verhindern Sie um Gottes willen, dass jemand die Spuren versaut, verstanden! Wer hat den Toten übrigens gefunden?«
»Seine Schwiegertochter, Commissario.«
»Die wird einen Schock haben. Rufen Sie ihren Hausarzt, und sorgen Sie dafür, dass sie in ihrem Zimmer bleibt, bis ich sie verhören kann. Ich komme. Es kann aber eine Weile dauern.« Dass er sich jetzt auch noch abhetzte, kam gar nicht in Frage.
Nachdem Pavarotti lange und ausgiebig geduscht hatte, machte er sich auf die Suche nach seiner Wirtin. Nach den Geräuschen zu urteilen, war die Frau trotz der frühen Stunde schon dabei, irgendwo im Haus herumzuwerkeln. Wahrscheinlich kramte sie wieder in ihren Essensvorräten herum.
Pavarotti betrat die Küche, da kam die Loipfertingerin tatsächlich gerade aus der Speisekammer. Als sie ihn sah, zog sie die Tür auf der Stelle hinter sich zu, als handle es sich um den Zugang zu einem Geheimversteck. Was hortete die da drin?
Pavarotti räusperte sich. »Frau Loipfertinger, wäre es wohl möglich, schon einen Kaffee zu kriegen? Frühstück brauch ich nicht, da ich eh gleich weg muss. Und wenn Sie mir bitte schön noch ein Taxi rufen könnten.«
Pavarotti erwartete eine Nachfrage, aber es kam nichts. Die Frau nickte bloß und machte sich an einer riesenhaften Espressomaschine zu schaffen. Als sie dann mit einer dampfenden Tasse an seinen Tisch kam, fragte sie dann doch zaghaft: »Was ist denn passiert?« Ihrem Ton zufolge rechnete sie mit schlechten Nachrichten.
»Setzen Sie sich doch einen Moment zu mir, Frau Loipfertinger«, erwiderte der
Weitere Kostenlose Bücher