Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
Malzcafé so faszinierend fand. Er merkte, dass sie ihn aufmerksam betrachtete.
»Du hast wieder mal diesen Gesichtsausdruck drauf, den ich nicht leiden kann. Irgendwie versteinert. Lächle doch einfach mal!«, forderte sie ihn auf und knuffte ihn.
Es tat weh. Vielleicht hatte er schon wieder etwas abgenommen. Pavarotti versuchte zu lächeln, damit sie endlich aufhörte, rumzumeckern. Lissies langer, dürrer Zeigefinger schoss auf ihn zu und stoppte nur einen Zentimeter vor seiner Brust.
»Jetzt hab ich’s«, rief sie triumphierend. »Du siehst ganz genauso aus wie Robert De Niro als Pate. Wenn der den Mund verzieht wie du jetzt, dann weiß der Zuschauer ganz genau, dass irgendein armes Schwein in Kürze ins Gras beißen muss.« Lissie spitzte die Lippen. »Schwer zu beschreiben, dieses Lächeln. So eine eigenartige Mischung aus verkniffen, eiskalt und leicht irre.«
Pavarotti seufzte. »Vielen Dank für den schmeichelhaften Vergleich.«
Lissie knuffte ihn erneut. »Jetzt sei nicht so ein Trauerkloß. Lass uns doch mal unsere Ermittlungsergebnisse zusammentragen, damit wir wissen, wo wir stehen.«
Diese Bemerkung brachte Pavarottis Blut in Wallung. Das war wieder typisch. »Lissie, du hast überhaupt keine Ermittlungsergebnisse. In diesem Fall ermittle bloß ich!«
Lissie kicherte. »Na, da ist also doch noch Leben in diesen Ruinen. Dann nenn es halt Rechercheergebnisse oder so was. Ist doch egal. Außerdem sind es Fälle – Mehrzahl. Ich war eben im Hotel, die sind total durch den Wind wegen des alten Felderers«, erzählte Lissie. »Die Louisa war ganz schön fertig, weil du sie so feindselig ausgefragt hast. Ich war dann auch auf der Internetseite der ›Dolomiten‹, die berichten ausführlich über den Tod der beiden Felderers. Ich muss dir leider sagen, dass du nicht gut wegkommst. Die schreiben: War es Mord oder Selbstmord? Die Polizei tritt auf der Stelle. Du hättest dir den Alten eben früher vorknöpfen müssen, wie ich gesagt hab.«
Pavarotti hatte gewusst, dass sie sich die Spitze nicht würde verkneifen können. Er zuckte mit den Achseln. »Lass sie halt schreiben. Wir sind schon ein gutes Stück weiter, denn wir wissen mittlerweile definitiv, dass der alte Felderer auch ermordet worden ist.« Ihm kam zu Bewusstsein, dass sich Lissie neulich als Journalistin ausgegeben hatte. Wollte die jetzt wirklich so ein Schreiberling werden? »Das ist eine vertrauliche Information, verstanden?«
Lissie wedelte mit der Hand, als ob das sowieso klar wäre. Pavarotti nahm einen Schluck Bier und nickte bestätigend.
»Der Mann wurde aus mehreren Metern Entfernung erschossen. Bis auf dieses Detail war der Selbstmord ziemlich überzeugend inszeniert. Der Täter hat sogar die Hülse aufgeklaubt und an die richtige Stelle gelegt.« Er massierte sein Genick. »Die Tatwaffe war nicht registriert. Wir wissen nicht, ob sie Felderer gehört hat.«
»Bisherige Theorie tschüs«, sagte Lissie bloß.
»Ja, das trifft es ziemlich gut«, erwiderte Pavarotti. Die Deutsche war wirklich eine Schnelldenkerin. »Theoretisch kann Niedermeyer zwar nach wie vor für Karls Tod verantwortlich sein. Aber für den Mord am alten Felderer kommt er definitiv nicht in Frage, weil er immer noch in der geschlossenen Abteilung im LKH ist. Ich hab das nachgeprüft. Und ich kann einfach nicht glauben, dass in dem friedlichen Meran plötzlich zwei Mörder ihr Unwesen treiben sollen.«
Lissie schüttelte den Kopf. »Mir geht’s genauso.« Sie überlegte kurz. »Wie kam der Mörder denn überhaupt in die Privaträume des Hotels?«
Pavarotti zuckte die Schultern. »Das ist es ja. Es gibt Codekarten, über die nur ein kleiner Kreis von Leuten verfügt.«
»Und?«
»Da sind ein paar Angestellte, zum Beispiel die Rezeptionistin. Aber warum sollte die den Seniorchef ermorden? Wir haben sie zur Sicherheit heute Morgen kriminaltechnisch überprüft. Keine Hinweise, dass sie vor Kurzem eine Waffe abgefeuert hatte.«
»Moment«, sagte Lissie. »Du hast mir doch erzählt, dass die neulich hinter diesen Italienern herspioniert hat, wahrscheinlich im Auftrag des Alten. Vielleicht lief da was zwischen den beiden, und die Süße hatte doch ein Motiv, das wir bloß noch nicht kennen.«
»Du meinst, dass die beiden ein Verhältnis hatten?«, fragte Pavarotti ungläubig.
»Blödsinn. Der alte Felderer war in der Hinsicht bestimmt schon scheintot. Außerdem war er ein ekliger Tattergreis. Aber vielleicht hatte er die Kleine mit irgendwas in der Hand.
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