Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
war trotzdem ganz und gar nicht schlecht. Vielleicht hatte sich in den Zellen an ihrer Taille ja bloß ein bisschen Wasser angesammelt. Ein paar Saunagänge konnten als Urlaubsabschluss auf keinen Fall schaden.
Lissie wühlte im Schrank. Verflixt. Sie hatte keinen Föhn dabei. An den Besuch einer Therme hatte sie zu Hause beim Packen nicht gedacht. Aber sie hatte ja sowieso vorgehabt, in dem Elektrogeschäft in der Galileistraße ein wenig Geld zu lassen, sozusagen als Hommage an die paar altmodischen Läden, die es in Meran noch gab.
Ohne viel Appetit verzehrte sie ihre Frühstückssemmel, dann ging sie noch einmal nach oben. Ihren proppenvollen und nach Geräuchertem stinkenden Rucksack, den sie auf dem Balkon ausgelagert hatte, bedachte sie mit einem scheelen Blick. Kurzentschlossen packte sie den Hotelbademantel und die Frotteeschlappen in eine Plastiktüte und griff nach ihrer Aigner-Handtasche. Damit fühlte sie sich schon fast wie in Frankfurt. Willkommen in der Zivilisation. Als sie die Lobby durchquerte, schaute sie auf die Uhr. Erst kurz nach neun. Lissie zögerte und machte an der Rezeption halt.
»Eine Frage«, sagte sie zu der jungen Frau, die vor ihrem Computer saß und etwas abwesend wirkte. »Sie kennen sich doch bestimmt in den Geschäften hier gut aus. Meinen Sie, ob das kleine Elektrogeschäft in der Galileistraße um diese Zeit schon offen hat?«
Die Angesprochene fuhr hoch und fixierte Lissie. »Wieso wollen Sie das wissen?«
Lissie runzelte die Stirn. Was hatte das diese Frau anzugehen? »Weil ich einen museumsreifen Fernseher kaufen will, was denn sonst!«, gab sie schnippisch zurück und marschierte in Richtung Ausgangstür. Bevor sie die Tür aufstieß, drehte sie sich noch einmal um, weil ihr ihre schroffe Bemerkung schon wieder leidtat. »Na, bloß einen Föhn halt, ist ja nicht so ungewöhnlich im Urlaub.« Aus dem Augenwinkel sah sie noch, wie die Frau ihr hinterherstarrte.
* * *
Die Ladentür des kleinen Elektrogeschäfts Aschenbrenner war nur angelehnt. Lissie öffnete die Tür und spähte hinein. Vom Inhaber oder einem Verkäufer war nichts zu sehen oder zu hören. Plötzlich überkam Lissie wieder dieses komische Gefühl, wie am Vorabend bei der Hochleitnerin, als sie sich unerlaubt Zutritt zu deren Haus verschafft hatte. Aufregend. Der Laden erschien ihr unheimlich still. Sie bekam eine Gänsehaut.
Bewusst kräftig schloss Lissie die Tür hinter sich, dass es nur so schepperte. Danach lauschte sie wieder. Immer noch kein Mucks.
Sie verscheuchte ihr mulmiges Gefühl. Jetzt war sie schon mal hier. Ein paar Minuten Wartezeit schadeten ja nichts. Lissie begann, zwischen den vorsintflutlichen TV -Modellen umherzuspazieren. Nur ein einziger moderner Flachbildschirm war da, und nicht einmal den hatte man als Blickfang für die Kunden richtig in Position gebracht.
Ihr Blick wanderte von einer alten Registrierkasse auf dem Resopaltresen zu einem Ensemble aus Stempelhalter und Stempelkissen, das wohl schon lange niemand mehr benutzt hatte. Der Rechnungsblock daneben bot ebenfalls keinen professionellen Anblick, sondern wellte sich ungeniert. Das oberste Blatt zierten Kaffeeflecken. Lissie drehte sich zur Tür um. Sie hatten keinen Bedarf an einem vorsintflutlichen Föhn. Sie wollte gerade gehen, da fiel ihr Blick auf ein kleines gerahmtes Foto an der Wand hinter dem Verkaufstisch. Es war das einzige im ganzen Laden, und es war klar, dass die Aufnahme für den Ladeninhaber etwas Besonderes darstellte.
Lissies Aufmerksamkeit war geweckt. Verstohlen sah sie sich um, bevor sie hinter den Verkaufstisch trat. Sie nahm die Aufnahme von der Wand – und erstarrte. Es handelte sich um das Foto mit den drei Jungs aus dem Zeitungsarchiv der »Dolomiten«.
Zwei davon posierten für die Kamera, als ob nur dieser Moment zählte. Jeder hatte den Arm um die Schultern seines Nachbarn gelegt. Zwei der Jungen kannte Lissie bereits. In der Mitte stand breitbeinig und arrogant Emil Felderer. Der Linke, das war tatsächlich Luis Loipfertinger. Sie hatte recht gehabt. Auch auf dieser Aufnahme fiel ihm eine Haarsträhne in die Stirn. Und dann dieses Lachen. Unbeschwerte Lebensfreude, die Unbesiegbarkeit der Jugend. In Cowboy-Manier hatte er einen Daumen in seinen Gürtel eingehakt, vielleicht um den machohaften Emil Felderer ein bisschen auf die Schippe zu nehmen. Der dritte Junge auf dem Foto war kleiner, aber nicht einfach bloß gut aussehend wie die anderen beiden. Nur die Andeutung eines Lächelns lag
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