Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
gehörte, wusste Emmenegger. Sinnvoll oder nicht, der Bericht musste heute Abend fertig werden und im Eingangskorb des Welschen landen. Er straffte sich. Auch wenn die Aufgabe ja eigentlich so schwierig nicht war, es gab Grenzen des Zumutbaren. Berichte erforderten Konzentration, und er brauchte seine Ruhe.
Emmenegger sah nur eine Möglichkeit. Er erhob sich, griff in die Ermittlungsakte. Nachdem er die Tatortfotos herausgeholt hatte, fing er an, sie umständlich auf dem Tisch auszubreiten. Brunthaler ließ den Hörer sinken und riss den Mund sperrangelweit auf. »Was machst da?«, kreischte er. Die Dame am anderen Ende der Leitung war offenbar in Sekundenschnelle auf ein extrem niedriges Prioritätsniveau abgeschmiert.
»Das ist doch wohl sonnenklar. Ich pinn die Tatortfotos an die Wand. Der Welsche will eine Mordwand mit allen Fotos, Informationen und Verdächtigen.« Das Letzte verhallte ungehört, weil Brunthaler schon wie der Blitz aus der Tür hinausgerannt war. Die Geräusche waren eindeutig. Er hatte noch nicht einmal mehr die Zeit gehabt, die Toilettentür hinter sich zu schließen.
Emmenegger grinste ein wenig schuldbewusst, zog kurz seine Notizen zurate und fing wieder an zu tippen. Leider war ihm aber doch nicht vergönnt, seinen Schreibkram zu Ende zu bringen. In die Würgegeräusche hinein läutete das Telefon. Emmenegger schrak zusammen. Das Schrillen kam ihm irgendwie anklagend vor. Reflexartig schaute er sich um. Der Bereitschaftsraum war leer. Widerstrebend hob er ab.
»Emmenegger, ich bin noch mal am Tatort. Liegen jetzt endlich alle Ergebnisse der Spurensicherung vor? Sagen Sie mal, da ist ja ein infernalisches Geräusch bei Ihnen im Hintergrund. Wer stöhnt denn da so? Schauen Sie sich einen Porno an?«
»Nee, Chef. Das ist der Brunthaler. Der kotzt wieder, weil er aus Versehen einen Blick auf die Fotos vom Ermordeten geworfen hat.« Emmenegger spürte förmlich, wie der Kommissar die Augen verdrehte.
»Du lieber Himmel, hat denn niemand Erbarmen und versetzt den Kerl ins Diebstahldezernat! Was in aller Welt hat denn den Brunthaler zur Kripo verschlagen?«
»Wer, nicht was.« Emmenegger musste rülpsen. Mittlerweile war ihm auch blümerant. Kein Wunder, bei der Geräuschkulisse. »Ich glaube, da steckt der Vater dahinter. Landeshauptmann Brunthaler, Sie kennen den Mann ja sicher.«
»Ach du lieber Himmel.« Beide schwiegen ein paar Sekunden. »Also, was ist nun mit der Spurensicherung? Und warum ist da ein Absperrband vor dem Lokus der Renzingerin? Ist das zu Dekorationszwecken, oder haben die dadrin doch was gefunden?«
* * *
Pavarotti lehnte sich an die von der Spätnachmittagssonne beschienene Mauer neben der Renzinger Weinstube, genoss die Wärme an seinem Rücken und wartete geduldig. Rascheln am anderen Ende der Leitung. Er seufzte leise. Der Fall Felderer zirkulierte bei Emmenegger offenbar nur an dessen äußerstem Wahrnehmungsfeld, denn sonst hätte er den Bericht direkt nach Eintreffen durchgesehen und Pavarotti von sich aus angerufen. Er war halt hier unter Meraner Provinzbullen. Hätte er es mit einem Sergenten in seinem Bozener Team zu tun, würde er jetzt einen anständigen Brüller loslassen. Aber in Meran war das vergebene Liebesmüh.
»Also?«
»Einen Moment, ich bin gleich durch, Commissario.« Plötzlich hatte Pavarotti keine Lust mehr, sich zu ärgern. Zu seinem Erstaunen merkte er, dass er sich auf den Abend mit der Deutschen freute. Ihr erster konspirativer Treff. Wie aufgeregt sie auf der Wache angerufen hatte! Sehr konspirativ war das übrigens nicht gewesen. Er grinste.
Auf der anderen Straßenseite räumte der Kellner vom Café Meindl gerade die Tische und Stühle in einen Verschlag. Seinen schnellen Bewegungen nach zu urteilen, wollte der Kellner zügig fertig werden und nach Hause. Er konnte aber nicht. Der letzte Tisch war noch besetzt. Der junge Hochleitner hatte eine Cola vor sich stehen, die er aber nicht anrührte. Er starrte einfach vor sich hin, offenkundig bloß körperlich anwesend. Die scheelen Blicke des Kellners gingen einfach durch ihn durch.
Mensch, den müsste man ja auch noch befragen, kam es Pavarotti. Er drückte Emmenegger weg. Jetzt sollte der auch mal kurz warten. »He, Justus«, rief er hinüber. »Geh heim, deine Oma wartet bestimmt schon. Sagst ihr, dass ich euch zwei morgen mal sprechen will?«
Der Junge schreckte wie von der Tarantel gestochen hoch, glotzte herüber und sprintete die Lauben in Richtung Rennweg hinauf. Vermutlich
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