Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
Faktoren, die ich dir ja eben geschildert habe, würde ich den Todeszeitpunkt von Karl Felderer nicht früher als zweiundzwanzig Uhr und nicht später als vierundzwanzig Uhr ansetzen.«
Pavarotti schaute abrupt auf. »Bist du sicher?«
Editha zog als einzige Reaktion die Augenbrauen nach oben. Pavarotti war irritiert. Da stimmte etwas nicht. Die Renzingerin hatte die Leiche angeblich morgens gegen sieben gefunden. Die Wirtin machte abends um zwölf ihre Kneipe dicht. War es im Bereich des Wahrscheinlichen, dass Felderer ganz kurz nach Zapfenstreich ermordet worden war, als die Renzingerin gerade weg war? Oder war es nicht viel plausibler, dass Karl Felderer irgendwann zwischen zehn und zwölf einen Besucher der Weinstube hatte abpassen wollen und dabei umgebracht worden war? In dem Fall hätte die Leiche von Gästen der Weinstube, aber spätestens von der Renzingerin beim Abschließen entdeckt werden müssen. Pavarotti beschloss, sich das Protokoll der Renzingerin baldmöglichst noch einmal vorzunehmen. Außerdem merkte er sich vor, Niedermeyer und seinem italienischen Gesprächspartner, die am Mordabend in der Weinstube gewesen waren, auf den Zahn zu fühlen.
Eigentlich hat der Täter unwahrscheinliches Glück gehabt, überlegte er weiter. Es hätte doch jederzeit jemand aus der Weinstube treten oder den von der Freiheitsstraße zu den Lauben heraufführenden Durchgang heraufkommen können. War es eine spontane Tat gewesen? Und warum hatte sich Karl Felderer überhaupt kurz vor Mitternacht vor dem Hinterausgang der Weinstube eingefunden, um sich anschließend dort ermorden zu lassen?
Pavarotti seufzte ergeben. Bisher hatten sich weder halbwegs vielversprechende Hinweise auf Motive noch auf Verdächtige ergeben. Die Ermittlungen erinnerten ihn schon jetzt an den klebrigen Brei, der ihm heute Morgen von der Hochleitnerin als Birchermüsli vorgesetzt worden war. Es überraschte ihn nicht, dass das »Setting« dieses Mordes genauso vage war wie die anderen Spuren und Ermittlungsansätze, die sich bisher ergeben hatten.
Seine Schwester hatte sich zurückgelehnt und beobachtete ihn mit halb geschlossenen Augen. »Läuft nicht so richtig an, wie?«, fragte sie fast schnurrend. Pavarotti machte sich nicht die Mühe, darauf zu antworten. »Sagtest du nicht vorhin, dir sei etwas aufgefallen?«
»Hab ich das? Stimmt, da sind zwei Kleinigkeiten. Erstens haben wir in einer der Wunden ein paar hauchfeine Spuren goldener Farbpigmente gefunden. Worum es sich genau handelt, wird die Analyse zeigen. Die Probe ist schon auf dem Weg nach Bozen ins Labor. Mach dir aber keine falschen Hoffnungen. Die sind wegen ein paar Grippefällen schwach besetzt. Das kann dauern.«
Pavarotti verzog das Gesicht, als hätte er auf einen eitrigen Zahn gebissen.
Editha lächelte. »Du kannst ja in der Zwischenzeit selbst ein bisserl herumraten. Vielleicht hat Karl ja eine junge knackige Klosterschwester aus Maria Steinach entjungfert, und die Mutter Oberin hat sich den Tabernakel geschnappt, um dem alten Sünder den Schädel einzuschlagen?«
»Dann solltest du froh sein, dass ich dich nicht auch ins Verhör nehme, meine Süße«, brummte Pavarotti. »Mit deinem Job bist du in bester Ausgangsposition, falsche Spuren zu legen oder welche verschwinden zu lassen. Und kannst dich hinterher immer auf ein Versehen unter Alkoholeinfluss herausreden.« Jetzt feixte er. »Das Motiv haben wir auch gleich. Wer weiß, vielleicht hat Karl dich erpresst? Hat er dich mal in einem Sadomasoclub bei gewagten Sexspielchen beobachtet?«
Editha riss die Augen auf, aber dann gähnte sie betont gelangweilt. »Willst du jetzt die andere Sache auch noch wissen oder nicht?«
»Nur immer raus damit. Leichen, Editha, Sensationen!«
»Das ist wirklich komisch«, sagte Editha versonnen, und blätterte mechanisch in ihren Aufzeichnungen, ohne wirklich hinzusehen. »Der erste Schlag kam mit ziemlicher Sicherheit von hinten.«
»Na und?«
»Mensch, Luciano, denk doch mit! Merkst du nicht, dass ich gerade deinen Job mache? Nimm mal an, Karl hat sich in dem Durchgang mit jemandem getroffen. Wie sollte der denn in der Lage sein, ihn von hinten anzugreifen? Warum hätte sich Karl mitten im Gespräch umdrehen sollen?«
»Das beweist gar nichts. Vielleicht war da kein Gespräch, vielleicht stand er an der Wand und hat gepinkelt. Er hat in einer Urinlache gelegen. Dass die von ihm stammte, hat das Labor schon bestätigt. Auch was anderes ist denkbar. Er spricht mit dem Täter, da
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