Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
Ein Italienerfresser, wie er im Buche steht. Er war zwar sehr höflich, ich hab aber gemerkt, wie sehr der uns immer noch hasst. Moment, ich hab’s. Servieren Sie ihm doch einen gut gemixten Cocktail aus Wahrheit und Schwindel!«
»Und wie soll der aussehen?«
»Erzählen Sie ihm, dass Ihr Großvater mütterlicherseits Österreicher gewesen ist. Und dass er mit den Südtirolern sympathisiert und einen guten Freund aus der Befreiungsbewegung gehabt hat, mit dem er auch nach seiner Übersiedelung nach Deutschland brieflich in Kontakt geblieben ist. Sie als seine Enkelin hätten jetzt seinen Nachlass geordnet und ein paar Briefe gefunden. Leider gibt es aber keinen Hinweis auf die Identität des Brieffreundes.«
»Ja und?«, antwortete Lissie mit plötzlich ganz flacher Stimme. »Dieser Kirchrather wird mich doch sofort fragen, warum sich dieses Geheimnis nicht durch meinen Vater aufklären lässt, oder? Der müsste doch von der Brieffreundschaft gewusst haben. Und außerdem dürfte sich Kirchrather wundern, warum das plötzlich so furchtbar wichtig für mich sein soll.«
»Nichts leichter als das. Sie sagen einfach, dass Sie jetzt endlich Ihre bewegte Familiengeschichte aufarbeiten wollen. Dass Ihr Vater als einer der führenden RAF -Anwälte Mitte der achtziger Jahre im Prozess gegen Brigitte Mohnhaupt gehandelt wurde, bevor er plötzlich verschwand. Eine historische Arbeit, die Sie da vorhaben, mit persönlichem Touch im Grenzbereich von Befreiungsbewegungen und Terrorismus. Die eben auch nach Südtirol hineinspielt.«
Lissie war leichenblass geworden. »Woher wissen Sie das von meinem Vater? Und dass mein Großvater Österreicher war, stimmt auch! Und auch das mit den Südtirolern!« Am ganzen Körper zitternd stand sie auf. »Sie Schwein. Sie haben irgendwelche dreckigen Recherchen über mich angestellt!«
Pavarotti seufzte. Er hatte mit Ärger gerechnet und gehofft, das Kneipenumfeld würde die Frau von einer großen Szene abhalten. Voll danebengehauen. Warum regte sie sich bloß dermaßen auf?
»Setzen Sie sich bitte wieder, da schauen schon ein paar zu uns herüber. Ich erkläre es Ihnen ja.«
Lissie schüttelte nur den Kopf, blieb aber am Tisch stehen. Eine Träne lief ihre Backe herunter. Na wunderbar, dachte Pavarotti. Jetzt kriegen diese Kids auch noch Kino für umsonst. Wenigstens setzte sie sich jetzt wieder hin. Wie von Zauberhand erschien auf einmal ein Taschentuch vor ihrer Nase.
»Net ärgern lassen von dem Deppn«, zischte die giftgrüne Schlange in Lissies Ohr und latschte dann wieder in Richtung Theke. Auf dem Weg wurde das Fenster zugeknallt. Als ob die Privatsphäre der Deutschen vor Außenstehenden geschützt werden sollte. Lissie trompetete ins Taschentuch, und Pavarotti sah erleichtert, dass sie bereits wieder ein Lächeln probierte.
Er beugte sich vor und ergriff ihre Hand. Lissie wollte sie zurückziehen, aber Pavarotti hielt eisern fest. »Lissie. Glauben Sie denn allen Ernstes, ich würde Sie in meine Ermittlungen einbeziehen, ohne vorher genau zu prüfen, mit wem ich da eigentlich zusammenarbeite?«
Als der Commissario am Vorabend das Fax aus Frankfurt erhalten hatte, war er verblüfft gewesen. Er hatte eigentlich mit dem lapidaren »liegt nichts vor« gerechnet. Stattdessen kam ein umfangreiches Dossier vom Verfassungsschutz. Der altgediente Frankfurter Kollege, der die RAF -Zeit noch aktiv mitgemacht hatte, hatte offenbar beim Namen »von Spiegel« gestutzt und weiterrecherchiert. Pavarotti wunderte sich trotzdem, dass die Deutschen ihm die Unterlagen überhaupt zugänglich gemacht hatten. Na ja, zu irgendetwas war Europol offenbar doch gut.
»Sie hätten mich ja auch einfach fragen können!«
Pavarotti seufzte tief. »Kommen Sie schon, Lissie. Sie wissen genau, dass man in meinem Job nicht weit kommt, wenn man grundsätzlich alles, was einem erzählt wird, für bare Münze nimmt. Sie tun das ja auch nicht.«
Lissie starrte bloß vor sich hin. Ihre Augen, die normalerweise vor Schalk und Widerspruchsgeist nur so sprühten, waren dunkel geworden. Sie fuhr sich durchs Haar, dann übers Gesicht und verschmierte einen Tuschefleck unter dem Auge.
»Katastrophal. Geben Sie mal her.« Luciano nahm ihr das Taschentuch ab, das noch feucht genug war, und entfernte vorsichtig das Malheur. »Normalerweise sind Sie doch so schlau und schlagfertig. Was ist los?« Plötzlich begriff er. »Es geht um Ihren Vater, nicht?«, fragte er leise.
Lissie antwortete nicht, sondern blickte nur
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