Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
ganze Zeit allein zu Hause gewesen zu sein. Als Greta Niedermeyer so gegen fünf Uhr heimgekommen war, sei ihr Mann nicht im Haus gewesen. Das hatte sie nicht überrascht, denn sie habe gewusst, dass ein VEMEL -Stammtisch angesetzt war, an dem ihr Mann unbedingt teilnehmen wollte.
»Er hat ja seit Tagen von nichts anderem mehr geredet«, plärrte sie. »Und hinterher wird er noch mit jemandem etwas trinken gegangen sein, wie immer. Aber ich weiß nicht. Ich bin gegen zehn ins Bett. Und morgens war er dann da.«
Pavarotti nickte. Dass Klaus Niedermeyer nach dem Stammtisch in der Renzinger Weinstube gewesen war und Motiv und Gelegenheit für den Mord gehabt hatte, war ja nun wirklich nichts Neues. Der Einzige, der ihn entlasten konnte, war Topolini junior, mit dem er während der kritischen Zeit gezecht hatte. Sollte Niedermeyer die Weinstube den ganzen Abend nicht ein einziges Mal verlassen haben und Topolini das bezeugen können, war Niedermeyer aus der Sache raus. Aber das war sehr unwahrscheinlich.
»Gibt es hier im Haus irgendeinen mit Blattgold verzierten Gegenstand?«, fragte Pavarotti versuchsweise.
Greta Niedermeyer guckte ihn bloß verständnislos an und schüttelte schließlich den Kopf. Der Commissario blickte sich im Raum um und nickte langsam. Er hätte sich die Frage sparen können. Wieso sollte es hier Blattgold geben? Blattgold war ja schließlich nicht weiß.
Widerstrebend erhob sich Pavarotti. »Den Durchsuchungsbeschluss haben Ihnen meine Kollegen ja bereits bei unserem ersten Besuch gezeigt. Ich möchte jetzt, bitte schön, noch mal das Arbeitszimmer Ihres Mannes sehen.«
Greta Niedermeyer öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder, als sie Pavarottis abwehrende Handbewegung sah. »Ich weiß, dass meine Kollegen dort bereits gewesen sind. Trotzdem. Und wenn Sie schon dabei sind, zeigen Sie mir doch bitte Ihren Safe.«
Die Niedermeyer nickte schwach und erklomm vor ihm eine schmale Treppe mit einem kunstvoll geschnitzten Holzgeländer, die vom angrenzenden Flur hinauf in den ersten Stock führte. Die verspielte Treppenkonstruktion passt so gar nicht zum unterkühlten Ambiente im übrigen Erdgeschoss, dachte Pavarotti und wunderte sich.
Oben stieß er einen halb unterdrückten Ruf aus. Den Raum im ersten Stock der Villa beherrschten bis zur Decke reichende Bücherregale aus Kirschholz und voluminöse Sessel, die mit schwarzbraunem abgewetzten Leder bezogen waren. An Wänden und Decken führten dunkle Holzbalken entlang. In einem offenen Kamin züngelte ein Feuerchen munter vor sich hin.
Das flirrende Weiß schien plötzlich Lichtjahre entfernt. Unwillkürlich schaute Pavarotti nach unten, um sicherzugehen, dass sich die Eiskruste nicht durch den Parkettboden drückte.
Hinter ihm schniefte die Niedermeyer. Pavarotti wandte sich um und sah die Frau abwartend an, doch die Erklärung für die ungewöhnliche Innenarchitektur des Niedermeyer’schen Domizils blieb aus.
»Sein Schreibtisch ist dahinten.« Greta deutete zur Stirnseite, wo der Raum im Neunzig-Grad-Winkel nach links abknickte. »Der Safe ist gleich hier, hinter einem der Regale.« Die Frau begann, Bildbände zur Seite zu räumen.
»Die Kombination?«
Greta Niedermeyer sagte dumpf: »So was Feines haben wir nicht. Es ist ein einfaches Schlüsselsystem. Klaus hat den Schlüssel. Wo der ist, keine Ahnung.«
Augenblicklich sackte Pavarottis Laune durch. Das hieß, dass er Niedermeyer nach dem Schlüssel fragen musste, und wenn der mauerte, musste ein Techniker kommen, der den Safe öffnete. Wieder Zeitverlust. Als er gerade nach seinem Mobiltelefon griff, verzog die Niedermeyer plötzlich ihr verlaufenes Clownsgesicht und setzte hinzu: »Was Klaus aber nicht weiß: Ich hab mir seinen Schlüssel mal kurz ausgeliehen und eine Kopie machen lassen.«
Ach was. Hatte er die Frau doch unterschätzt? Pavarotti fixierte sie scharf. »Haben Sie nach der Verhaftung Ihres Mannes mal reingeschaut?« Greta Niedermeyer, die so paranoid wegen ihrer Nacktfotos war, hatte den Safe ihres Mannes mit Sicherheit als Erstes kontrolliert. Sollte die Frau das abstreiten, war das mit Sicherheit gelogen, und ihre Glaubwürdigkeit war für ihn auch in allen anderen Punkten erschüttert.
Die Niedermeyer stierte ihn mit großen Augen an und ließ dann den Kopf hängen. Pavarotti wertete das als Ja.
»Und, was war drin? Die Fotos offenbar nicht, sonst wären Sie nicht dermaßen in Panik.«
»Oh Gott, das wissen Sie? Aber woher bloß? Hat Klaus
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