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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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abgeschlossen?»
    «Natürlich
sind sie das.»
    «Dann hat der
Mann entweder einen Dietrich benutzt oder einen Schlüssel
gehabt.»
    Der Pater
schüttelte den Kopf. «Die Schlösser zu den drei
Portalen sind vor einem halben Jahr ausgewechselt worden, nachdem
jemand versucht hatte, unseren Vivarini zu stehlen.» Wieder
setzte Pater Hieronymus voraus, dass seine Besucher über die
Ausstattung der Kirche im Bilde waren. «Mit einem
Dietrich», beendete er seinen Gedankengang, «ist nicht
viel anzufangen.»
    «Wollen Sie
damit sagen, dass der Mann einen Schlüssel benutzt
hat?»
    Der Pater nickte.
«Zumal ich einen meiner beiden Schlüssel vermisst
habe.»
    «Wo bewahren Sie
die Schlüssel normalerweise auf?»
    «An einem Brett
in der Sakristei.»
    «Wer hat Zugang
zur Sakristei?»
    «Der
Küster, meine Haushälterin und meine Besucher. Die
betreten mein Arbeitszimmer durch die Sakristei.»
    «Und wer besucht
Sie?»
    «Alle
möglichen Leute mit unterschiedlichen
Anliegen.»
    «Es könnte
also einer Ihrer Besucher den Schlüssel entwendet
haben.»
    «Das wäre
möglich.»
    «Wann haben Sie
entdeckt, dass einer der beiden Schlüssel verschwunden
ist?»
    «Vor ein paar
Tagen. Was aber nicht bedeuten muss, dass der Schlüssel schon
seit einiger Zeit nicht mehr da ist.» Pater Hieronymus sah
Tron an. «War es der Mann, der die Frau auf der Gondel
ermordet hat?»
    «Wir gehen davon
aus», sagte Tron.
    «Ich habe den
Artikel in der Gazzetta gelesen.» Der
Pater schüttelte entsetzt den Kopf.
    «Vor zwei
Tagen», sagte Tron, «hat der Mann auch eine Frau in
einem Hotel ermordet.»
    «Ist der Frau
ebenfalls die Leber entnommen worden?»
    Tron nickte.
Plötzlich fiel ihm der Maggiotto ein — die Opferung
Isaaks durch Abraham. «Ich frage mich», sagte er
langsam, «ob es sich dabei nicht um eine Art Opferritual
handelt. Vielleicht war es kein Zufall, dass der Mann versucht hat,
die Frau direkt vor dem Altar zu töten.»
    Pater Hieronymus
dachte kurz nach. «Das ist möglich. Nur dass es dem
Mörder nicht auf das Töten ankam.»
    «Worauf
sonst?»
    Der Pater sah Tron
triumphierend an. «Darauf, dem Organ Informationen zu
entnehmen.»
    Es dauerte einen
Moment, bis Tron verstand, was der Pater damit meinte. «Sie
glauben, es hat sich um ein Augurium, eine Weissagung aus den
Eingeweiden, gehandelt?»
    Pater Hieronymus
nickte selbstgefällig. «Der Mann könnte die
Vorstellung haben, dass ein Augurium auf geweihtem Boden besonders
präzise Weissagungen erlaubt. Jedenfalls», fuhr er fort,
«wäre ein Augurium die Erklärung dafür, dass
der Mann seinen Opfern die Leber entnimmt.»
    «Eine andere
Erklärung», sagte Tron freundlich, «wäre die,
dass der Mann schlicht und einfach verrückt
ist.»
    Doch dies war ein
Gedankengang, den der Pater — wie seine Miene deutlich
besagte — für zu schlicht hielt. «Sie
heißt Maria Maggiotto», sagte er, indem er sich
säuerlich lächelnd erhob. «Aber sie kennt den Maler
gar nicht. Kommen Sie, Commissario. Ich bringe Sie zu
ihr.»

28
    «Bemerkenswert», sagte
Tron, als sie eine gute Stunde später wieder auf den Campo
della Bragora traten. Der Himmel sah kränklich und bleich aus,
es hatte angefangen zu nieseln.
    «Was ist
bemerkenswert, Commissario?» Bossi spannte seinen Regenschirm
auf, um seine frischgebügelte Uniform vor Wasserflecken zu
bewahren.   
    «Dass unser Mann
nicht maskiert war», sagte Tron. «Und wie gut die
Signorina das Ereignis überstanden hat.»
    Für eine Frau,
die dem Tod durch einen bloßen Zufall — oder das
Maunzen einer Katze — entronnen war, hatte Signorina
Maggiotti in der Tat einen bemerkenswert guten Eindruck gemacht.
Auch die Würgemale am Hals und die Platzwunde auf ihrer Stirn
sahen eher harmlos aus. Die lädierte Nase, die Bossi
erwähnt hatte, wies lediglich einen Kratzer auf.
    Sie hatten ein langes
Gespräch mit der jungen Frau geführt, während diese,
halb aufgerichtet in den Kissen, mit sichtlichem Behagen eine
Hühnerbrühe geschlürft hatte. Offenbar genoss sie
den Aufenthalt im Pfarrhaus, das bequeme Bett und die Fürsorge
des Priesters. Sie schien bereits auf einem Plauderfuß mit
Pater Hieronymus zu stehen und hatte die Absicht bekundet, nach den
Ereignissen der letzten Nacht auszusteigen. Doch das, dachte Tron,
sagten die jungen Frauen vermutlich immer, wenn sie in
Schwierigkeiten geraten waren.
    «Wir
können», fuhr er fort, «aus dem Umstand, dass der
Mann nicht maskiert war, ein paar interessante

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