Commonwealth-Saga 1 - Der Stern der Pandora
gesehen hatte. Einigermaßen dankbar wurde ihm bewusst, dass er noch immer genügend Würde übrig behalten hatte, um dafür zu sorgen, dass er die Sache nicht einfach auf sich beruhen ließ. Trotzdem, die Veröffentlichung der Tatsache, dass die Umhüllung praktisch in Sekundenbruchteilen stattgefunden hatte, würde das Ende seiner eigenen kleinen Welt nach sich ziehen. Was andere als seine grundlegende Schwäche betrachteten, sah er gerne als Vorsicht, die mit dem Alter kam. Im Grunde genommen war das sogar eine Art Weisheit.
Alte Gewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen; also zerlegte Dudley das Problem in mehrere Stadien, genau so, wie er es seine Studenten lehrte, und machte sich daran, jedes einzelne mit so viel Logik zu lösen, wie er zusammen brachte. Ganz einfach – seine wichtigste Priorität war es, die Geschwindigkeit zu bestätigen, mit der die Umhüllung stattgefunden hatte. Eine Wellenfront von Beweisen, die sich gegenwärtig mit der Geschwindigkeit des Lichts von Gralmond entfernte. Und Gralmond lag fast am äußersten Rand des Commonwealth in diesem Abschnitt des Weltraums. Fast … aber nicht ganz.
Das Interstellare Commonwealth umfasste ein annähernd kugelförmiges Volumen Weltraum mit der Erde im Zentrum und einem Durchmesser von vierhundert Lichtjahren. Gralmond lag zweihundertvierzig Lichtjahre von der Erde entfernt, zählte zu den letzten Planeten, die während der zweiten Expansionsphase besiedelt worden waren. Es erforderte keinen hohen Aufwand an Berechnungen für Dudley, um festzustellen, dass der nächste Planet, auf dem die Umhüllung zu sehen sein würde, Tanyata war, direkt am Rand des Phase-Zwo-Raums. Tanyata war noch weniger entwickelt als Gralmond – es gab beispielsweise ganz bestimmt nach wie vor keine Universität dort –, aber eine Unisphären-Datasuche förderte eine Liste mit einheimischen Amateurastronomen zu Tage. Na ja, Liste war übertrieben, denn sie umfasste eigentlich nur einen einzigen Namen.
Fünf Monate und drei Tage nach der Nacht, in der Dudley Dyson Alpha hatte verschwinden sehen, winkte er seiner Frau nervös zum Abschied zu, während der Carlton aus der Auffahrt fuhr. Sie glaubte, seine Reise nach Tanyata sei legitim, von der Universität sanktioniert. Selbst nach elf Jahren Ehe hatte Dudley nicht den Mut, seiner Frau die absolute Wahrheit zu erzählen … oder vielleicht lag es auch daran, dass er nach fünf Ehen schlicht wusste, was man sagen konnte und worüber man besser Schweigen bewahrte.
Der Carlton brachte ihn direkt zur planetaren CST Station auf der dem Universitätscampus gegenüberliegenden Seite von Leonida City. Der Frühling stand vor der Tür und brachte lebendiges Grün über die terranischen Schösslinge in den Parks der Stadt. Selbst die vollständig ausgewachsenen einheimischen Bäume reagierten auf die länger dauernden, helleren Tage: Ihre dunkelrote Rinde besaß einen neuen, leuchtenden Glanz, während sie Vorbereitungen trafen, ihre Blätterdächer zu entfalten. Dudley beobachtete die Einwohner der Stadt von seinem Sitzplatz aus: Geschäftsleute, die zielstrebig durch die Straßen eilten; Eltern, die tolerant oder ungeduldig mit ihren Kindern sprachen; Firstlife-Erwachsene, also solche ohne Rejuvenation, die draußen vor den Caféhäusern und den Eingängen von Einkaufszeilen durcheinander liefen, hoffnungslos linkisch und trotzdem erfolgreich in ihrem Bemühen, wie Mitglieder der tödlichsten Banden in der menschlichen Geschichte dreinzublicken. Sie alle waren so hell und so normal. Dudley hatte sich erst spät in seinem zweiten Leben entschieden, nach Gralmond zu gehen, weil Randwelten stets von einer ansteckenden Aura aus Erwartungen und Hoffnungen umgeben waren; hier konnten neue Träume Fuß fassen und in Ruhe gedeihen. Und Dudley hatte so wenig aus seinem zweiten Leben gemacht. Sein von leichter Verzweiflung getriebener Umzug hierher war ein Eingeständnis dieser Tatsache gewesen.
Die CST hatte ihre planetare Station auf Gralmond vor mehr als fünfundzwanzig Jahren in Betrieb genommen. Tatsächlich ungefähr um die Zeit, als Dudley sein farbenprächtiges OCTattoo erhalten hatte – eine Ironie, die ihm keineswegs entgangen war. Der Planet hatte sich während des ersten Vierteljahrhunderts menschlicher Besiedlung wacker geschlagen. Farmer hatten ihre Traktorbots und ihre Herden auf das Land losgelassen. Städter hatten ihre vorgefertigten Gebäude hergebracht und in sauberen Blocks aufgestellt, die sie Städte nannten als
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