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Con molto sentimento (German Edition)

Con molto sentimento (German Edition)

Titel: Con molto sentimento (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya T. Heinrich
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wenn man es denn so bezeichnen wollte. Oder war Alexis hier zu subjektiv?
     
    »Was hast du gesagt?«, er hatte Federico glatt überhört. Selbst heute noch bescherte ihm die Erinnerung an Henry und diesen Abend in Brighton Magenschmerzen.
     
    »Ich meinte, wie du mit deiner Präsentation vorankommst?«
     
    Federico bezog sich auf sein bevorstehendes Rigorosum, die Verteidigung seiner Doktorarbeit. Alexis wusste nicht nicht, wann ihn die Universität vorladen würde. Die Gutachter hatten ein paar Wochen Zeit um seine Arbeit zu bewerten und danach gab es noch etliche Formalitäten zu erledigen. »Ich habe mir die Slides gestern noch einmal angesehen und wollte alles umstellen.«
     
    Das kam wohl davon, wenn man die selben Unterlagen immer und immer wieder studierte. Irgendwann sah man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Aber genug Smalltalk.
     
    »Wann kommt ihr wieder zurück?«
     
    »Übermorgen«, meinte Federico. Viel zu lange.
     

     
    Patrice erwachte am nächsten Morgen aus seinem – den Schlaftabletten sei Dank – äußerst tiefem Schlummer. Alexis selbst hatte nur wenige Stunden in der Nacht geschlafen. Er hatte sich per Internet über die notwendigen Behördengänge und sonstigen Formalitäten erkundigt, die bei einem Todesfall zu beachten waren. Natürlich kannte er sich bei dem schweizerischen System nicht aus, doch inzwischen fühlte er sich gut gewappnet. Das Universitätsklinikum sollte den Todesfall bereits dem Zivilstandsamt angezeigt haben. Doch blieben noch unzählige weitere Fragen offen: Wie sollte Madame Leclerk bestattet werden? Eine traditionell christliche oder eine anonyme Bestattung? Es gab Banken und Versicherungen, die informiert werden mussten. Die Wohnung musste gekündigt werden. Und gab es ein Testament? Was war mit Madame Leclerks ersten Mann, Patrice leiblichem Vater? Man würde ihn informieren müssen. Wo wohnte er überhaupt?
     
    Am einfachsten wäre es natürlich, sie würden ein Bestattungsinstitut engagieren und die Fachleute würden sich um alles kümmern. Doch Alexis ahnte, dass dies Patrices Budget nicht hergeben würde. Auch wenn Alexis nicht verlegen darum war Patrice auszuhelfen, so erschien es ihm doch als makaber, wenn solch ein Zuwendung für den Kauf eines Sarges oder der Bezahlung der Grabgebühren herhalten sollte.
     
    Bestattungen waren bekanntlich teuer. Alexis würde es nicht wundern, wenn damit ein beträchtlicher Teil von Patrices Erbe aufgebraucht wäre. Der Lohn seiner Mutter hatte ja immer gerade so gereicht, um sich und ihren Sohn irgendwie durchzubringen. Viel ansparen hatte sie sicherlich nicht können.
     
    Alexis brühte gerade einen Tee auf und dachte einmal mehr daran, dass es überhaupt nicht selbstverständlich war, was für einen Lebensstil er führte und in welche Familie er hineingeboren worden war. Das absolut paradoxe und perverse an dieser Sache war jedoch, Alexis konnte genau so wenig dafür, dass er der Sprössling einer reichen, alten, ehemaligen Adelsfamilie war, wie jemand, der in Rio de Janeiro in ein Slum geboren wurde oder in Somalia in einem Flüchtlingslager. Die Welt war verdammt ungerecht!
     
    Aber nicht nur der Ort war so eine Ungerechtigkeit. Auch die Zeit! Erst kürzlich hatte er in einem Roman eine ganz ähnliche Beobachtung gelesen, der Protagonist hatte darüber sinniert, dass er ganz und gar nichts dazu konnte in welche Zeit er hinein geboren worden war. Wäre er zwei Jahrhunderte später auf die Welt gekommen, hätte er sich ganz anders und womöglich besser entfalten können. Da konnte Alexis nur zustimmen. Bestimmt waren einige seiner Vorfahren an ganz banalen Krankheiten verstorben, für die es heute ein Heilmittel gab und nicht mehr als eine kleine Unannehmlichkeit waren. Oder wenn er nur an seinen Vorfahren dachte, von dem man heute wusste, dass er ebenfalls homosexuell gewesen war. Wie schwer es für diesen Mann gewesen sein musste. Verglichen dazu lebten er und Federico unbeschwert, konnten zueinander stehen, sogar in aller Öffentlichkeit.
     
    Auf der Couch regte sich Patrice, er schlug die Decke zurück und rieb sich die Augen. Alexis stellte ihm eine Tasse Schwarztee hin, nebst zwei Scheiben Toast, die dick mit Butter und Orange Jam bestrichen waren. Dann setzte er sich auf die Kante der Couch. Patrice war wohl noch etwas benebelt, denn er starrte Alexis nur mit gerunzelter Stirn an.
     
    »Ich muss zur Schule«, war sein erster Kommentar.
     
    »Ganz sicher nicht.« Alexis hatte bereits im

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