Con molto sentimento (German Edition)
Claude hatte sich kaum dazu geäußert.
»Warum denn? Ich habe mit Patrice nichts mehr zu tun.«
»Aber... Claude... du solltest vielleicht... Denk doch an Patrice. Er hat seine Mutter verloren, er braucht jemanden, der ihm etwas Stärke gibt und eine Stütze ist.«
»Alexis kann das doch sehr gut. Wenn Patrice mich gebraucht hätte, dann hätte er sich ja melden können. Er kann doch telefonieren, oder etwa nicht? Aber er braucht mich ja gar nicht. Er hätte ja bei mir anrufen können. Aber nein, dein Alexis muss uns darüber informieren.«
Federico verbot sich jeglichen weiteren Kommentar. Er war sich fast sicher, dass Claude diese sture Haltung einmal noch bereuen würde. Patrice würde es bestimmt leichter fallen, wenn Claude heute auf der Beerdigung seiner Mutter dabei sein würde. Den Armen hatte es schwer getroffen. Zuerst ging seine Beziehung mit Claude in die Brüche und dann starb völlig unerwartet seine Mutter. Da war es völlig legitim zu verzweifeln. Federico konnte sehr gut mit ihm fühlen.
Doch selbstverständlich konnte er Claude auch zu nichts zwingen. Er hatte versucht ihn zu überzeugen, aber vergeblich: Claude hatte auf stur geschaltet. Klar, irgendwie war es schon verständlich. Patrices Verhalten, vor allem das fehlende Vertrauen, hatte ihn verletzt und auch die Todesnachricht hatte nichts daran zu ändern vermocht... leider. Dass Alexis nur aus reiner Mitmenschlichkeit geholfen hatte, fasste Claude nun auch noch falsch auf. Nein, Claude wollte nicht und er suchte nur nach jedem erdenklichen Grund, um seine festgefahrene Meinung zu untermauern.
Federico hingegen verzehrte sich nach seinem Alexis. Nachdem sie die Nachricht von der Beerdigung erhalten hatten, hatte er sich seitdem nach nichts anderem gesehnt, als seinen Freund wieder in den Armen halten zu können. Er hatte Patrices Mutter nicht gekannt, aber er trauerte mit dem Jungen und vor allem um seine eigenen Eltern. Todesfälle in seiner unmittelbaren Umgebung hatten immer diesen Effekt auf ihn. Während Federico aus dem Bus stieg und den Friedhof betrat, dachte er darüber nach, dass er als Kind den Unfalltod seiner Eltern nicht so hatte betrauern können, wie er das als Erwachsener getan hätte. Es kam ihm so vor, als ob er dies nun irgendwie nachholen musste. Es schnürte ihm jetzt bereits die Kehle zu und sogleich setzte sich Federico die Sonnenbrille auf. Er wollte nicht schon völlig verheult und mit verquollenen Augen der Beerdigungsgesellschaft gegenübertreten. Wobei er die Leute ja nicht einmal kannte, wahrscheinlich würde es ohnehin nur eine kleine Zeremonie geben, mutmaßte Federico.
Es war eine gewöhnliche Erdbestattung. In einer Ecke der Leichenhalle stand bereits der geschlossene Sarg, geschmückt mit weißen Rosen und roten Mohnblumen. Eine ungewöhnliche Mischung, aber schön gemacht, geschmackvoll. Federico sah Alexis und Patrice in der vordersten Reihe sitzen. Unwillkürlich krümmte sich Federicos Hand, als ob er die Finger seines Partners ergreifen wollte. Doch besser er hielt sich noch im Hintergrund und wartete ab. Er wollte jetzt auch kein Aufsehen erregen und durch die ganzen Stuhlreihen nach vorne gehen. Er wollte nicht wissen, was alleine Alexis‘ Anwesenheit für Kommentare provozierte. So setzte er sich in eine der hinteren Reihen. Kaum hatte er Platz genommen begann auch die Trauerfeier.
An Tagen wie diesen wünschte sich Federico sehnlichst er hätte wenigstens ein bisschen von Alexis‘ Glauben und Gottvertrauen. Merkwürdigerweise sprachen sie beide kaum darüber, doch Alexis war tief religiös. Er behauptete zwar oft, er würde Sonntagmorgens in den Gottesdienst gehen, um die Spielkünste der jeweiligen Organisten zu begutachten, doch neben dem fachlichen Interesse war mindestens genau so viel religiöse Pflichterfüllung mit dabei.
Für Federico war es einigermaßen befremdlich gewesen, als er in der ersten Nacht, die er in Alexis‘ Wohnung in London verbracht hatte, in der obersten Schublade des Nachttisches neben den Kondompackungen einen Rosenkranz gefunden hatte. Aber wenn Alexis es half, wenn er nicht einschlafen konnte, einen Rosenkranz zu beten, dann bitteschön. Andere Menschen nahmen in solchen Situationen eben Schlaftabletten.
Doch so einfach war es nicht abzutun, dass Alexis in bestimmten Situationen einfach gelassener sein konnte, gerade wenn es um solche Schicksalsschläge wie Todesfälle ging. Oder warum, konnte Alexis auch so unbedarft
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