Con molto sentimento (German Edition)
unbewusst steuerte er auf das Mietshaus zu. Er scheute sich zunehmend es als Zuhause zu bezeichnen. Mehr und mehr verabscheute er die Atmosphäre dort, nicht nur die beengten Raumverhältnisse und dass sie alle aufeinander hockten. Es gab immer nur die gleichen Gesprächsthemen: Fußball und Sport im Allgemeinen, das Lamentieren über die Unfähigkeit der Politiker. Claude und sein Bekanntenkreis aus Musikern, das war eine andere Nummer. Nicht, dass sich Patrice in diesen Kreisen heimischer fühlte, zumindest noch nicht. Es war eine fremde Welt, jedoch genoss er es mittlerweile den Gesprächen von Claude und Federico zu lauschen, auch wenn er selbst nur selten eine Meinung dazu hatte. Aber er machte sich im Internet darüber kundig und es war unglaublich, wie sehr er in den letzten Wochen seinen Horizont erweitert hatte. Seine Mutter hatte es ja auch bemerkt.
Immer und immer wieder durchlebte Patrice in seinen Gedanken diese Augenblicke. Claude, der seinen Arm um die Hüfte dieses Fremden gelegt hatte. Sein Lachen, die geröteten Wangen und dann diese unbedarfte Fragen nach einem Dreier. Aber was hatte Patrice auch erwartet. War ja klar, dass Claude ihn nicht als Mann oder gar Geliebten ansah. Er war ja nur ein minderjähriger Junge. Eigentlich war es von Claude sogar durchaus vernünftig, dass er sich mit Patrice nicht einließ. Claude könnte sprichwörtlich in Teufels Küche kommen, wenn Patrice ihn bei der Polizei dranbringen wollte. Nicht, dass Patrice dies wollte oder könnte. Zu sehr hatte er Angst, dass ihn die Polizisten vielleicht doch mit der Prügelei an der Bushaltestelle in Verbindung bringen könnten. Außerdem wurde er auch bald volljährig, was sich für Claude mit Sicherheit strafmildernd ausgewirkt hätte.
Ein gewaltiger Blitz durchzuckte die Wolken über ihm und keine zwei Sekunden später hörte Patrice auch das dumpfe Donnergrollen. Schon begann auch der Himmel seine Schleusen zu öffnen.
»Scheiße«, meinte Patrice zu diesem sommerlichen Wetterphänomen. Ausgerechnet heute Abend gewitterte es und ausgerechnet heute streunerte er auf den Straßen herum. Der Regen war unangenehm kalt, als er auf Patrice hinabprasselte, und wieder donnerte es. Doch es war ihm herzlich egal, er trottete missmutig weiter. Als er endlich Zuhause angekommen war, brachte er es kaum fertig den passenden Schlüssel aus seiner Hose zu kramen, so klamm waren seine Finger geworden. Mit einem weiteren Fluch wischte er sich über das Gesicht und die nassen Haare.
Dann kam ein Taxi angefahren und hielt prompt vor ihrer Haustür. Natürlich mitten hinein in eine tiefe Pfütze, die sich am Straßenrand gebildet hatte und Patrices Hose wurde mit einem frischen Schwall Regenwasser getränkt.
»Verfluchte Scheiße!«, entfuhr es Patrice lautstark doch er verstummte, als er sah, wer in gebückter Haltung dem Taxi entstieg und mit zwei Sprüngen bei ihm unter dem Vordach stand. Claude. Niemand anderes als Claude.
Der letzte Mensch, den er jetzt sehen wollte.
»Bist du etwa gelaufen?«, Claude hielt sich gar nicht erst mit einer Begrüßung auf, oder der Frage, was Patrice denn in der letzten Stunde angestellt hatte. Immerhin schien Claude jetzt wieder etwas nüchterner zu sein und nicht jede Bemerkung mit einem Lachen zu quittieren.
»Ja und du? Hast du ihn gefickt?« Patrice zog die Nase nach oben, überließ es seinem Nachbarn die Tür zu öffnen.
»Wenn du schon so nett danach fragst. Ja, habe ich.«
»Wirklich?« Patrice mochte es kaum glauben, obwohl er doch in dem Club gesehen hatte, wie schnell es gehen konnte.
»Ja klar.«
»Oh Mann«, murmelte Patrice. Entweder war er reichlich verklemmt. Verklemmter, als er gedacht hatte. Oder Claude war nicht normal. Vielleicht war es eine Mischung aus beidem.
Claude schaltete die Beleuchtung des Treppenhauses ein und erst jetzt sah er, in was für einem kläglichen Zustand sich Patrice befand. »Du bist ja völlig durchnässt!«
»Natürlich, ich habe doch gesagt, dass ich gelaufen bin«, gab Patrice genervt zurück und machte sich daran die Treppe hinaufzusteigen.
»Was ist los mit dir? Warum bist du so gereizt? Du wolltest doch feiern, warum bist du nicht im Club geblieben?«
Nein, Patrice würde es Claude nicht erklären, der würde sein Dilemma wahrscheinlich nicht einmal ansatzweise nachvollziehen können.
»So gehst du mir nicht zu deinen Eltern. Am Ende machen sie mich noch dafür verantwortlich,
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