Conan-Saga 06 - Conan von Cimmerien
über sich wie ein Stab schwingen. Ohne zu überlegen, machte er einen weiten Satz zu einer auf etwa halber Höhe liegenden Stufe, die unter seinem Aufprall zu schaukeln begann. Sein nächster Sprung brachte ihn auf den Erdboden. Doch während seine Füße aufsetzten, fiel die Pyramide mit ohrenberstendem Krachen zusammen. Die Säule polterte in Tausende von Bruchstücken zerschellend herab. Einen flüchtigen Herzschlag lang schien es Marmorsplitter vom Himmel zu regnen. Und dann lag ein Trümmerhaufen gespenstisch schimmernd im Mondschein.
Conan schüttelte die Splitter ab, die ihn halb begraben hatten. Ein schwerer Steinbrocken hatte ihm den Helm vom Kopf geschlagen und ihn einen Augenblick lang betäubt. Über seinen Oberschenkeln lag ein Stück der Säule und drückte ihn zu Boden. Er wußte nicht, ob seine Beine gebrochen waren. Seine schwarze Mähne klebte schweißüberströmt auf seinem Kopf. Blut sickerte aus Wunden an seiner Kehle und den Händen. Er stützte sich auf einen Ellbogen und versuchte, sich von dem Trümmerstück auf seinen Oberschenkeln zu befreien.
Da brauste plötzlich etwas vom Himmel herab und landete im Gras in seiner Nähe. Als Conan sich mühsam umdrehte, sah er den – Geflügelten!
Mit unvorstellbarer Schnelligkeit schoß dieser auf ihn zu, daß Conan nur den verschwommenen Eindruck einer gigantischen, menschenähnlichen Gestalt auf verkümmerten, gekrümmten Beinen gewann, riesiger haariger Arme mit unförmigen schwarznägeligen Klauen, eines mißgestalteten Schädels, in dessen breitem Gesicht das einzig Erkennbare ein Paar blutrot glühende Augen waren. Die Kreatur war weder Mensch noch Tier, noch Teufel, doch sie wies Züge aller drei auf und solche über das Menschliche hinaus.
Aber Conan hatte keine Zeit für bewußte Überlegungen. Er streckte sich nach dem Schwertgriff, der ihm aus der Hand gefallen war. Aber er konnte ihn nicht erreichen. Verzweifelt griff er nach dem Trümmerstück, das seine Beine festhielt. Die Adern schienen ihm aus den Schläfen zu quellen, als er alle Kraft aufwandte, es von sich zu schieben. Es gab ein Stück nach, aber es war ihm klar, daß das Ungeheuer schneller sein würde und die schwarzen Klauen ihm den Tod brachten, ehe er sich würde befreien können.
Der Geflügelte hatte in seinem Ansturm nicht innegehalten. Er beugte sich wie ein schwarzer Schatten mit ausgebreiteten Armen über Conan – als sich plötzlich etwas Weißes zwischen die beiden stürzte.
Benommen sah der Cimmerier eine vor wilder Liebe bebende Gestalt, die wie Elfenbein im Mondlicht schimmerte. Er sah das Glühen ihrer dunklen Augen, die schweren dunklen Locken, den wogenden Busen, die leicht geöffneten roten Lippen, und sie schrie so scharf und schneidend wie das Klirren von Schwertklingen, als sie sich über das geflügelte Ungeheuer warf.
»Bêlit!« brüllte Conan. Sie warf ihm einen schnellen Blick zu, und er sah in ihren dunklen Augen die Liebe flammen, elementar wie ungebändigtes Feuer und schmelzende Lava. Dann war sie verschwunden, und der Cimmerier erblickte nur noch die geflügelte Bestie, die in ungewohnter Furcht zurückgetaumelt war und die Arme angstvoll erhoben hatte, als wolle sie einen Angriff abwehren. Da wußte Conan wieder voll Qual, daß Bêlit in Wirklichkeit auf ihrem Scheiterhaufen an Deck der Tigerin lag, und in seinen Ohren hallte ihr leidenschaftlicher Ruf: Hätte der Tod bereits nach mir gegriffen und du kämpftest um dein Leben, so würde ich von überallher dir zur Hilfe eilen ...
Mit einem furchterregenden Schrei richtete Conan sich auf und wälzte das Säulenstück zur Seite. Der Geflügelte kam wieder heran. Der Cimmerier sprang ihm entgegen mit dem Feuer des Wahnsinns in den Adern. Die Muskeln traten in dicken Strängen hervor, als er sein mächtiges Schwert schwang und sich dabei auf den Fersen drehte. Es traf das Ungeheuer, das sich auf ihn werfen wollte, über den Hüften. Der Oberkörper fiel nach einer, der Unterkörper nach der anderen Seite, als die scharfe Klinge den Leib durchtrennte.
In der mondhellen Stille starrte Conan, das bluttriefende Schwert kraftlos in der Hand, auf die beiden Teile seines Gegners. Die roten Augen funkelten immer noch in erschreckender Lebendigkeit zu ihm empor, doch dann verschleierten sie sich und wurden glasig. Die Klauenhände verkrampften sich, ehe das Leben auch aus ihnen wich. Mit diesem Ungeheuer hatte die älteste Rasse der Erde ihr unrühmliches Ende gefunden.
Conan hob den Kopf und
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