Conan-Saga 06 - Conan von Cimmerien
war, und sich nicht an ihn erinnerte. Da er es für unklug hielt, die Zitadelle durch die Halle zu verlassen, suchte er nach einem direkteren Ausgang und kletterte durch ein Fenster. Es führte auf eine Dachterrasse aus zersplitterten Fliesen, wo ein falscher Schritt ihn in die grausige Tiefe stürzen lassen mochte.
Der Regen hatte nachgelassen, es nieselte nur noch leicht. Der Mond, der hoch am Himmel stand, kam immer mehr zwischen den Wolken hervor. Conan beugte sich über die Terrassenbrüstung. Unmittelbar unter ihm boten sich mit Ranken überwucherte Skulpturen ihm geradezu an, an ihnen hinunterzuklettern. Mit der Geschicklichkeit eines Affen ließ er sich über die ungewöhnliche Fassade hinab.
Plötzlich leuchtete der Mond in voller Pracht auf den Hof, wo die Stygier ihre Pferde angepflockt hatten. Die Tiere wieherten und scharrten unruhig mit den Hufen bei dem Kampfeslärm, der aus der Halle drang und den grauenvollen Todesschreien.
Conan landete geschmeidig auf den Füßen. Er rannte zu der Rappstute, die dem Anführer der Sklavenjäger gehört hatte. Er wäre gern noch geblieben, um die Toten von einigen der Habseligkeiten zu befreien, die sie nicht mehr brauchten, denn er benötigte dringend eine Rüstung und ein paar andere Kleinigkeiten. Das Kettenhemd, das er als Bêlits Partner getragen hatte, war längst verrostet und zerfetzt, und seine Flucht vor den Bamulas war zu überstürzt gewesen, als daß er sich noch hätte ausrüsten können. Aber keine Macht der Welt hätte ihn dazu gebracht, sich in die Halle zu begeben, wo das Grauen lebenden Todes immer noch sein Unwesen trieb.
Als der junge Cimmerier das erwählte Pferd losband, stürmte eine schreiende Gestalt durch den Eingang und über den Hof auf ihn zu. Conan sah, daß es der Posten war. Sein Helm, die Kettenrüstung und sein Schild hatten ihn soweit geschützt, daß er das Massaker überlebt hatte.
Conan öffnete den Mund, um ihm zu rufen. Er empfand keine ausgesprochen freundlichen Gefühle für die Stygier, aber dieser Bursche war offenbar der einzige, der von den Sklavenjägern übriggeblieben war, und der Cimmerier war durchaus bereit, sich mit ihm zusammenzutun, bis sie eine zivilisiertere Gegend erreicht hatten.
Doch Conan kam nicht dazu, diesen Vorschlag zu äußern, denn das Erlebte hatte den muskulösen Stygier um den Verstand gebracht. Seine Augen funkelten wild im Mondschein, und Schaum quoll über seine Lippen. Er stürzte geradewegs auf Conan zu und schwang seinen Krummsäbel. »Zurück zur Hölle mit dir, Dämon!« kreischte er.
Der primitive Überlebensinstinkt des in der Wildnis aufgewachsenen Cimmeriers ließ ihn handeln, ohne lange zu überlegen. Bis der Wahnsinnige nahe genug heran war, hatte Conan mit dem Schwert ausgeholt. Stahl traf klirrend auf Stahl, daß die Funken sprühten. Als der wildäugige Stygier erneut mit dem Säbel ausholte, stach ihm Conan die Schwertspitze in die Kehle. Der Wahnsinnige röchelte, schwankte und fiel.
Einen Augenblick lang stützte der Cimmerier sich keuchend an die Rappstute. Der Kampf war kurz, aber heftig gewesen, und der Sklavenjäger hatte sich als ernstzunehmender Gegner erwiesen.
Aus dem riesigen Bauwerk drangen keine Schreie mehr, statt dessen hatte bedrohliches Schweigen sich darauf herabgesenkt. Schließlich hörte Conan schwerfällige, schlurfende Schritte. Hatte das Phantomungeheuer alle Stygier getötet? Schleppte es nun seinen unförmigen Leib zur Tür, um sich im Hof umzusehen?
Der Cimmerier wartete nicht, es herauszufinden. Mit zitternden Fingern löste er die Lederbänder des Kettenhemds und zog es dem Toten aus. Er nahm auch Helm, Speer und Schild des Stygiers an sich. Letzterer war aus dem Fell eines der dickhäutigen Savannentiere gemacht. Hastig befestigte er alles am Sattelknauf, dann schwang er sich auf das Pferd, zerrte am Zügel und hieb der Stute die Fersen in die Flanken. Ohne einen Blick zurück galoppierte er aus dem Hof. Mit jedem Hufschlag der Rappstute blieb die Ruine des Schreckens weiter zurück.
Irgendwo jenseits des Kreises verwelkten Grases streiften vermutlich noch die hungrigen Löwen umher. Aber nach den Grauen der schwarzen Zitadelle ging Conan gern das Risiko eines Kampfes mit den Raubkatzen ein.
Der Dämon aus der Nacht
Der Dämon
aus
der Nacht
D ER D ÄMON AUS DER N ACHT
Lin Carter und L. Sprague de Camp
Schneller als erhofft, erreicht Conan auf dem Rücken der Rappstute schließlich das halbzivilisierte Königreich
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