Conan-Saga 06 - Conan von Cimmerien
deshalb mißtraute er um so mehr der unsichtbaren Macht, die dafür verantwortlich war.
Ein dutzendmal zuckte er hoch, umklammerte den Schwertgriff, und seine Augen versuchten, die Schatten zu durchdringen, um zu ergründen, was ihn geweckt hatte. Doch kein einzigesmal entdeckte er auch nur das geringste in der gewaltigen Halle. Jedesmal bemühte er sich, wieder einzuschlafen, und immer hatte er das Gefühl, daß sich vage Schatten um ihn sammelten, und er glaubte, flüsternde Stimmen zu vernehmen.
Mit einem müden Fluch zu seinen barbarischen Göttern verdammte er alle Schatten und Flüsterstimmen in die elf scharlachroten Höllen der cimmerischen Mythen und drehte sich zur Seite. Endlich schlief er tief und fest und träumte etwas Merkwürdiges.
Ihm war, als erwache sein Geist, obgleich sein Körper schlummerte. Die Augen seines Kas, wie die Stygier den Astralleib nannten, sahen, daß ein stumpfes, blutrotes Glühen aus unsichtbarer Quelle die Galerie erhellte. Es war weder der Silberschein des Mondes, der seine Strahlen schräg durch Spalten und Ritzen im Mauerwerk warf, noch das kurze Aufzucken ferner Blitze. In diesem blutroten Leuchten konnte Conans Geist schwebende verschwommene Schatten sehen, die wie Fledermäuse zwischen den schwarzen Onyxsäulen umherhuschten – Schatten, deren funkelnde Augen unstillbaren Hunger verrieten, Schatten, die in einer fast unhörbaren Kakophonie höhnischen Gelächters und bestialischer Schreie flüsterten.
Irgendwie wußte Conans Traum-Ich, daß diese wispernden Schatten die Geister Tausender vernunftbegabter Wesen waren, die in diesem uralten Bauwerk den Tod gefunden hatten. Woher er das wußte, hätte er nicht zu sagen vermocht, aber für sein Ka war es eine feststehende Tatsache. Die unbekannten Geschöpfe, die dieses gigantische Bauwerk errichtet hatten – mochten es die Schlangenmenschen von Valusien gewesen sein, oder eine andere vergessene Rasse –, hatten die Onyxaltäre der schwarzen Zitadelle mit dem Blut Tausender gewaschen, und die Geister ihrer Opfer waren für alle Ewigkeit an diese Schreckensburg gekettet. Vielleicht war es der mächtige Zauberspruch vormenschlicher Magie, der sie an diese Mauern band. Möglicherweise war es derselbe Zauber, der die Savannentiere fernhielt.
Doch das war nicht alles. Die Geister der schwarzen Zitadelle dürsteten nach dem Blut der Lebenden – nach Conans Blut!
Sein erschöpfter Körper lag hilflos in einem magischen Schlummer, während Phantome um ihn schwebten und mit unfühlbaren Schattenfingern an ihm zerrten. Aber ein Geist vermag einem Lebenden nichts anzuhaben, ehe er nicht einen Leib aus Fleisch und Blut erlangt. Diese flüsternden Schattenhorden waren schwach. Seit Jahren hatte kein Mensch mehr den alten Fluch mißachtet und die Burg betreten, daß sie sich an ihm hätten nähren können. Und nun waren sie so geschwächt, daß es ihnen nicht mehr leicht fiel, zu einer gierigen Meute von Ghuls zu erstehen.
Irgendwie wußte das der Geist des schlafenden Kriegers. Während sein Körper weiterschlummerte, wachte auf der Astralebene sein Ka über ihn und beobachtete die Vampirschatten, die mit ihren Geisterflügeln um seinen Kopf flatterten und vergeblich unfühlbare Geisterkrallen in seine pulsierende Kehle zu bohren versuchten. Doch so sehr sie sich auch mühten und unhörbar wüteten, konnten sie ihm nichts anhaben. Von dem Zauber gebannt, schlief Conan weiter.
Nach unbestimmbarer Zeit vollzog sich eine Veränderung im rötlichen Leuchten der Astralebene. Die Geister drängten sich zu einer formlosen Masse sich verdichtender Schatten zusammen. Auch wenn sie über so gut wie keine Intelligenz verfügten, trieb der Hunger sie instinktiv zu einem gespenstischen Bündnis. Jeder Geist hatte einen kleinen Vorrat an Lebensenergie, der für eine Verkörperlichung erforderlich war. Jetzt bildeten sie eine Kette, daß die geringe Energie jedes einzelnen zu einem Ganzen zusammenfloß. Und so entwickelte sich, gespeist von der Lebenskraft von zehntausend Geistern, aus einer wirbelnden Wolke schattenhafter Teilchen, eine schreckliche Gestalt.
Und Conan schlief weiter.
6
DIE HUNDERT KÖPFE
Donner krachte ohrenbetäubend. Blitze zuckten blendend über die dunkle Savanne. Der Mond hatte sich längst wieder hinter dicken Wolken verkrochen, die nun barsten und sich in einem Regenschwall über das Grasland ergossen.
Die stygischen Sklavenjäger waren die ganze Nacht hindurch geritten, um die Wälder im Süden,
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