Conan-Saga 11 - Conan der Abenteurer
klarem Verstand bin, bin ich hier zweifellos fehl am Platz, denn die Menschen sind alle verrückt. Wir schleppen uns von der Wüste herein, dem Tod des Verhungerns und Verdurstens nahe, und stoßen auf einen Toten, der mir das Schwert in den Rücken stechen will. Wir betreten einen Palast mit allen Annehmlichkeiten und doch offensichtlich leer. Wir finden einen gedeckten Tisch, doch niemanden, der das Mahl zu sich nimmt. Dann sehen wir einen Schatten einen Schlafenden verschlingen ...« Er beobachtete sie mit engen Augen und bemerkte, daß sie ganz leicht die Farbe wechselte. »Nun?«
»Nun was?« fragte sie, nachdem sie sich augenscheinlich wieder völlig gefaßt hatte.
»Ich hatte erwartet, daß auch Ihr wie eine Wilde durch den Palast laufen und heulen würdet«, antwortete er. »Das hat nämlich der Mann getan, dem ich von dem Schatten erzählte.«
Sie zuckte die schmalen Elfenbeinschultern. »Das also war der Schrei, den ich hörte. Nun, jedem das Seine. Ich finde es töricht zu schreien wie eine Ratte in der Falle. Wenn Thog mich haben will, wird er mich holen.«
»Wer ist Thog?« erkundigte sich Conan mißtrauisch.
Sie musterte ihn mit derartigem Interesse, daß Natala errötete und die Zähne in die Unterlippe grub.
»Setzt Euch auf den Diwan, dann werde ich Euch alles erzählen«, sagte die Stygierin. »Doch verratet mir zuerst, wer Ihr seid?«
»Ich bin Conan, ein Cimmerier, und das ist Natala, eine Tochter Brythuniens«, antwortete er. »Wir sind die Überlebenden einer Armee, die an der Grenze von Kush geschlagen wurde. Aber ich möchte mich nicht gern dort hinsetzen, wo sich schwarze Schatten von hinten an mich heranstehlen können.«
Mit einem leisen melodischen Lachen ließ sie sich nieder und räkelte sich genußvoll.
»Beruhigt Euch«, riet sie. »Wenn es Thogs Wunsch ist, holt er Euch, gleichgültig wo Ihr seid. Der Mann, den Ihr erwähntet, der schrie und rannte – habt Ihr nicht gehört, wie er ein letztesmal furchtbar aufschrie und dann für immer verstummte? In seiner Panik muß er gerade dem in die Klauen gelaufen sein, dem er zu entkommen versuchte. Niemand kann seinem Schicksal entgehen.«
Conan brummte etwas Unverständliches. Er setzte sich auf die Kante des Diwans, den Säbel über den Knien, und schaute sich mißtrauisch um. Natala schmiegte sich an ihn, legte die Arme um ihn und setzte sich auf die untergeschlagenen Beine. Sie beobachtete die fremde Frau voll Argwohn und Verstimmung. Ihrer strahlenden Schönheit gegenüber kam sie sich so schrecklich klein, staubbeschmutzt und unbedeutend vor. Außerdem entging ihr der Blick dieser dunklen Augen nicht, der wie schmeichelnd über jede Einzelheit der bronzegetönten Statur ihres Begleiters strich.
»Was ist dieser Ort, und wer sind die Menschen hier?« erkundigte sich Conan.
»Die Stadt heißt Xuthal. Sie ist sehr alt und über einer Oase erbaut, die die Gründer der Stadt auf ihrer Wanderung entdeckten. Vor so unsagbar langer Zeit kamen sie aus dem Osten, daß nicht einmal ihre Nachfahren wissen, wann genau es war.«
»Aber gewiß gibt es ihrer nicht mehr viele, die Paläste scheinen alle leer zu sein.«
»Nein, nicht viele und doch mehr, als Ihr vielleicht glaubt. Die Stadt ist im Grund genommen ein einziger großer Palast, denn jedes Gebäude innerhalb der Stadtmauer ist mit dem anderen verbunden. Ihr könntet einen ganzen Tag durch die Räume streifen, ohne auch nur auf einen der Bewohner zu stoßen, während zu einer anderen Zeit möglicherweise viele Hunderte von ihnen unterwegs sind.«
»Wieso?« fragte Conan unsicher. Es roch ihm allzusehr nach Zauberei, als daß er sich hier wohl gefühlt hätte.
»Oh, einen großen Teil der Zeit schlafen diese Menschen. Ihr Traumleben ist ihnen ebenso wichtig – und genauso echt – wie ihr Leben, wenn sie wach sind. Ihr habt vom schwarzen Lotus gehört? Er wächst in bestimmten Gruben der Stadt. Über die unendliche Zeit hinweg zogen und hegten und pflegten sie ihn, bis sein Saft ihnen statt des Todes wundersame Träume verlieh. In diesen Träumen verbringen sie die meiste Zeit. Ihr Leben ist vage, unvorhersehbar, planlos. Sie träumen, sie wachen, sie trinken, essen, lieben und träumen aufs neue. Selten beenden sie etwas, das sie beginnen, mittendrin geben sie sich wieder dem Schlummer des schwarzen Lotus hin. Zweifellos hat einer das Mahl, das Ihr vorgefunden habt, für sich selbst zubereitet, als er Hunger verspürte, und es dann vergessen, weil seine Träume ihn
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