Conan-Saga 17 - Conan der Eroberer
hoben sich weiß ab, aber auch der riesenhafte Wanderer wich aus, um die Männer in Rüstung vorbeizulassen. In der buntgemischten Menge fiel er in seiner grauen, staubigen Kleidung nicht sonderlich auf. Nur einmal, als er am Stand eines Schwertverkäufers vorbeikam und das Licht einer Straßenlaterne geradewegs auf sein Gesicht fiel, glaubte er einen durchdringenden Blick auf sich zu spüren. Er drehte sich um und sah einen Mann im braunen Wams des freien Arbeiters, dessen Augen auf ihm ruhten. Mit unnatürlicher Hast drehte dieser Mann sich um und verschwand in der Menschenmenge. Conan bog schnell in eine Seitenstraße ein und beschleunigte den Schritt. Vielleicht war es nur müßige Neugier gewesen, aber er durfte kein Risiko eingehen.
Der grimmige Eisenturm stand abseits der Zitadelle, in einem Labyrinth schmaler Straßen und eng zusammengekauerter Häuser, wo die einfacheren Bauten, vor denen die vornehmen zurückzuweichen schienen, sich einen Teil der Stadt erobert hatten, in den sie eigentlich nicht paßten. Der Turm war im Grund genommen eine Festung: ein uraltes Bauwerk aus mächtigen Steinquadern und schwarzem Eisen. In früheren Jahrhunderten, als es die neue noch nicht gab, hatte es als Zitadelle gedient.
Nicht allzu weit davon entfernt, fast verborgen in einer Wirrnis von teilweise aufgegebenen Wohnhäusern und Lagerschuppen, stand ein ehemaliger Wachturm, der so alt und vergessen war, daß er schon seit hundert Jahren auf der Stadtkarte nicht mehr eingezeichnet war. Sein ursprünglicher Zweck war unbekannt, und niemand von den wenigen, die es überhaupt sahen, bemerkte, daß das scheinbar uralte Schloß, das Bettler und Obdachlose davon abhielt, den Turm als Quartier zu benutzen, verhältnismäßig neu und stark war und nur zur Tarnung auf alt und rostig hergerichtet war. Keine sechs Männer des Königreichs hatten je das Geheimnis des Turms gekannt.
Kein Schlüsselloch war in dem schweren, patinierten Schloß zu sehen, aber Conans geschickte und damit vertraute Finger glitten darüber und drückten an der einen und anderen Stelle auf so winzige Erhebungen, daß sie auf den ersten Blick überhaupt nicht zu sehen waren. Lautlos schwang die Tür nach innen auf. Conan trat in die Dunkelheit und schloß die Tür hinter sich. Im Licht hätte man sehen können, daß der Turm – ein zylinderförmiger Schacht aus massivem Stein – leer war.
In einer Ecke tastete Conan mit sicheren Fingern nach Unebenheiten auf einer Steinplatte des Fußbodens. Schnell hob er sie und ließ sich ohne Zögern durch die Öffnung hinunter. Seine Zehen berührten eine Steinstufe der zu einem Tunnel führenden Treppe. Der schnurgerade Tunnel endete unter der Erdoberfläche, drei Straßen weiter, an der Grundmauer des Eisenturms.
Die Glocke der Zitadelle, die nur um Mitternacht oder beim Dahinscheiden eines Königs schlug, erschallte plötzlich. In einem schwach beleuchteten Raum im Eisenturm öffnete sich eine Tür, und eine Gestalt betrat einen Korridor. Das Turminnere war so düster wie sein Äußeres. Die grauen Steinwände waren rauh und ohne Zier, die Bodenfliesen von Generationen zögernder Füße glattgetreten, und die gewölbte Decke war im flackernden Schein der vereinzelten Fackeln in Wandnischen kaum zu sehen.
Der Mann, der den grimmigen Korridor entlangschritt, paßte im Aussehen hierher. Er war hochgewachsen; von kräftiger Statur, und in enganliegende schwarze Seide gehüllt. Seine bis zu den Schultern reichende Kopfbedeckung verhüllte auch das Gesicht und wies nur zwei Augenschlitze auf. Sein schwarzer Umhang reichte bis zu den Waden. Über eine Schulter trug er eine Axt, die der Form nach weder Werkzeug noch Waffe war.
Ein gekrümmter, mürrischer alter Mann, dem offenbar das Gewicht seiner Pike und der Laterne fast zu viel war, kam ihm auf dem Korridor entgegen.
»Ihr seid nicht so pünktlich wie Euer Vorgänger, Meister Scharfrichter«, brummte er. »Es hat bereits Mitternacht geschlagen, und Maskierte haben sich in Myladys Zelle begeben. Sie warten ungeduldig auf Euch.«
»Das Echo der Glocke hallt noch zwischen den Türmen wider«, antwortete der Henker. »Wenn ich auch nicht so schnell auf das Fingerschnippen von Aquiloniern springe, wie der Hund, der dieses Amt vor mir innehatte, werden sie meinen Arm nicht weniger bereit finden. Kümmert Euch um Eure Pflichten, Wächter, und überlaßt mich meinen. Mein Handwerk, dünkt mir, ist angenehmer als Eures, der Ihr durch kalte Korridore schlurfen und
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