Conan-Saga 17 - Conan der Eroberer
maskierten Priester schon tiefer im Innern.
Über dem Umhang, den er sich bis über die untere Gesichtshälfte gezogen hatte, musterten die stechenden Augen Conan eindringlich. Mit der Linken machte er eine merkwürdige Gebärde. Auf gut Glück ahmte der Cimmerier sie nach, doch offenbar wurde als Antwort eine andere erwartet. Mit blitzendem Stahl schoß des Stygiers Rechte aus dem Umhang hervor, und sein mörderischer Stoß hätte das Herz eines jeden getroffen. Aber hier hatte er es mit einem Mann zu tun, der über die Reflexe einer Dschungelkatze verfügte. Kaum blitzte der Dolch auf, hatte Conan das Handgelenk auch schon gepackt, und gleichzeitig versetzte er dem Mann einen Kinnhaken, der ihm den Kopf so heftig gegen die Wand schlug, daß er tot zusammenbrach.
Einen Augenblick blieb Conan über ihn gebeugt stehen und lauschte angespannt. Die Lampe schwelte mehr, als sie brannte, und warf dichte Schatten. Nichts rührte sich in der Dunkelheit hinter ihr, doch weit entfernt und dem Anschein nach unter ihm erklang der gedämpfte Schlag eines Gongs.
Der Cimmerier bückte sich und zog den Toten hinter die gewaltige Bronzetür, die nach innen offenstand. Dann eilte er wachsam den Korridor entlang, ohne wirklich wissen zu wollen, auf welche Schrecken er stoßen mochte.
Er war nicht weit gekommen, als der Gang sich gabelte. Überlegend blieb er stehen, aber wie sollte er wissen, welchen Weg die Maskierten genommen hatten? Auf gut Glück wählte er den linken. Er fiel leicht schräg ab und war offenbar durch unzählige Füße glattgetreten. Da und dort warf eine Pechlampe ihren trüben Schein. Conan fragte sich mit ungutem Gefühl, wozu diese Pyramiden vor undenklicher Zeit errichtet worden waren. Stygien war ein sehr altes Land, und niemand wußte, wie viele Jahrtausende seine schwarzen Tempel sich bereits den Sternen entgegenstreckten.
Schmale, bogenförmige Öffnungen führten hin und wieder zu beiden Seiten ins Dunkel, aber Conan hielt sich an den Hauptkorridor, obgleich er inzwischen schon vermutete, daß er die falsche Richtung genommen hatte. Selbst bei ihrem Vorsprung hätte er die Priester inzwischen einholen müssen. Er wurde unruhig. Die Stille war fast wie etwas Lebendes, und er hatte das Gefühl, daß er nicht allein war. Mehr als einmal, wenn er an einer der schwarzen Öffnungen vorbeikam, glaubte er verborgene Augen auf sich zu spüren. Er hielt an, halb entschlossen, zu der Korridorgabelung zurückzukehren und der anderen Abzweigung zu folgen. Da fuhr er mit dem Dolch in der Hand herum. Seine Kopfhaut prickelte.
Ein Mädchen stand unter einem der engen Türbogen und betrachtete ihn interessiert. Ihre elfenbeinfarbene Haut ließ darauf schließen, daß sie aus einer alten stygischen Familie des Hochadels stammte, und wie alle deren Töchter war sie groß, von geschmeidiger Figur und üppigen Formen. Auf ihrem feinen schwarzen Haar, das wie zu einem riesigen Vogelnest aufgetürmt war, glitzerte ein großer Rubin. Sie trug lediglich Samtpantoffeln und einen breiten, juwelenbesteckten Gürtel um die schmale Taille.
»Was habt Ihr hier zu suchen?« fragte sie scharf.
Sein Akzent hätte ihn verraten, also schwieg er und blieb reglos stehen: eine grimmige Gestalt mit der gräßlichen Maske, über der die Straußenfedern ganz leicht wippten. Sein scharfer Blick stellte fest, daß die Dunkelheit hinter ihr leer war. Was allerdings nicht bedeutete, daß auf ihren Ruf nicht ganze Horden Bewaffneter herbeieilen würden.
Offenbar furchtlos, aber sichtlich argwöhnisch kam sie auf ihn zu.
»Ihr seid kein Priester!« sagte sie. »Ihr seid ein Kämpfer. Das kann auch Eure Maske nicht verbergen. Der Unterschied zwischen Euch und einem Priester ist so groß, wie der zwischen einem Mann und einer Frau. Bei Set!« stieß sie hervor und blieb abrupt mit weitaufgerissenen Augen stehen. »Ich glaube, Ihr seid gar kein Stygier!«
Mit einer Bewegung, der nicht einmal das Auge hätte folgen können, schloß sich seine Hand um ihren weichen Hals, doch so sanft, wie bei einer Liebkosung.
»Ruft nicht um Hilfe!« warnte er leise.
Ihre glatte Haut war kalt wie Marmor, aber nicht die geringste Furcht sprach aus ihren bezaubernd schönen dunklen Augen, mit denen sie ihn musterte.
»Habt keine Angst«, sagte sie ruhig. »Ich werde Euch nicht verraten. Aber Ihr müßt wahnsinnig sein, als Fremder, als Ausländer noch dazu, in den verbotenen Tempel Sets zu kommen!«
»Ich suche den Priester Thutothmes«, antwortete Conan.
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