Conan-Saga 39 - Conan der Kriegsherr
Portal des Schlosses drang der Schein unzähliger Kerzen herauf.
Die zuckenden Schatten spiegelten die Gedanken des Cimmeriers wider. Allerdings waren sie dank des großen Kruges mit Wein, dem er bereits kräftig zugesprochen hatte, nicht mehr allzu klar. Er dachte an viele Dinge: Da waren die Liebe und die Feindschaft, welche er in den letzten Wochen hier gefunden hatte, der Glanz und der brennende Ehrgeiz im Schloß, der Haß und die Scham über die vielen Schurkereien, welche er hier und anderswo erlebt hatte. Ganz allmählich drehte sich alles in seinem Kopf um einige Kernfragen: Wie lange sollte er noch hier bleiben? Wieviel Gold oder andere Schätze konnte er mitnehmen, wenn er sich entschied, Lebewohl zu sagen? Wie viele Menschen sollte er am Leben lassen ...
Plötzlich hörte er ein Geräusch auf dem Gang vor dem Zimmer. Sofort war er hellwach, alle trüben Gedanken verflogen. Er legte die Hand an den Säbelgriff. Vorsorglich hatte er die Waffe bereits aus der Scheide gezogen und gegen den Stuhl gelehnt, jemand machte sich am Riegel zu schaffen. Ohne Furcht behielt der Cimmerier die Tür im Auge. Wenn sein Herz schneller schlug, dann nur in der Hoffnung, das Schäferstündchen könnte sich wiederholen, welches ihm bei der letzten Wache in Favians Zimmer die Zeit so angenehm verkürzt hatte.
Doch als die Tür aufschwang, taumelte nur Favian mit einer Kerze in der Hand herein. Er war ohne Helm und trug seine zweitbeste Rüstung. Beim Anblick des Barbaren reagierte er kaum. Er tappte unsicher zum Bett, warf sich darauf und zeigte auf die offene Tür.
»Weg mit dir, Barbar! Der rechtmäßige Besitzer dieses Zimmers ist eingetroffen, und heute nacht wird er kaum deiner Dienste bedürfen. Geh zurück in dein stinkendes Kellerloch!«
Diese Worte verbesserten Conans Laune nicht. Er rührte sich nicht. »Ich habe den Befehl, heute nacht hier Wache zu halten. Bei den vielen Gästen, die überall im Schloß herumlaufen, hielten dein Vater und Svoretta es für zu gefährlich, daß du in deinem Bett schläfst. Also, verzieh dich und such du dir ein anderes Loch!«
Anstatt beleidigt zu sein, richtete Favian sich erstaunt auf. »Mein Vater hat dir gesagt ...? Nein, dieser alte Dämon! Ich hätte nicht gedacht, daß er zu einer derartigen Gemeinheit fähig wäre.« Der junge Lord stand auf und kam auf Conan zu. Er war vor Wut außer sich. »Cimmerier, du hast meinen Platz, meinen Namen, meinen Streitwagen, meine Rüstung und auch meine Ehre gestohlen, aber meine Männlichkeit bekommst du nie und nimmer!« Er hob die geballte Faust. »Die Eide sind geschworen, die Trauung ist vollzogen. Jetzt muß die Braut hierherkommen, damit ich mein Vergnügen mit ihr habe. Es ist mein natürliches Recht und Privileg – ungefähr das einzige, was mir noch geblieben ist. Und ich will eher sterben, ehe ich darauf verzichte!«
Conan befürchtete, der betrunkene Lord werde ihn im nächsten Augenblick angreifen. Daher stand er auf und trat einige Schritte zurück. »Was meinst du? Welche Schurkerei hast du vor? Du bist völlig besoffen.« Vorsorglich legte er eine Hand an den Säbel, um den wutschnaubenden Favian abzuwehren. Allerdings fürchtete er ihn nicht, da der junge Lord bedenklich schwankte. »Welche Braut soll heute nacht zu dir kommen?«
»Ja, Barbar, davon hast du natürlich keine Ahnung! Das Recht der ersten Nacht! Ein Privileg des Adels. Warum feiern wir denn überhaupt dieses Fest hier? Den Göttern sei Dank, daß mein Vater mir dieses Vorrecht nicht nehmen kann! Auch wenn es vielleicht nur wegen seines körperlichen Mangels ist.« Hochmütig stand Favian da und starrte den Cimmerier voller Verachtung an. »Als der einzige der Einharsons, welcher dazu in der Lage ist, darf ich mit jeder Jungfrau in der Provinz in ihrer Hochzeitsnacht schlafen.«
Conan schüttelte erstaunt den Kopf und stellte den Säbel weg. »Aber das ist entsetzlich! Welche junge Frau läßt eine derartige Entehrung zu ... und welcher Bräutigam?«
»Zulassen? Sie haben keine Wahl!« Favian lachte verächtlich. »Aber du wärst überrascht, Barbar, wie viele Mädchen sich danach sehnen – ganz besonders die aus guten Familien. Sie hüten diesen kurzen Moment des Glanzes für den Rest ihres langweiligen Lebens. Und welcher gemeine Mann schätzt sich nicht glücklich, einen aristokratischen Ableger in seinem verkümmerten Stammbaum zu haben, wenn es der Braut geglückt ist, Gnade vor höchsten Augen zu finden?«
Conan schüttelte erneut den Kopf. Das
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