Conan-Saga 43 - Conan der Landsknecht
Wand einriß.
An einer Seite der Gruppe stand ein Hutzelmännchen, kaum größer als ein Knabe. Er hieß Seihman. Einst war er ein starker und abenteuerlustiger Bursche gewesen. Jetzt aber nannte man ihn nur Seihman das Schwein, da er für die Eber und Schweine sorgte, welche einem reichen Bewohner des Dorfes gehörten. Das war keine sehr rühmliche Aufgabe, aber er sicherte sich dadurch sein Essen und den Wein – hauptsächlich den Wein –, und das war entschieden besser als zu verhungern oder – was noch schlimmer gewesen wäre – zu verdursten.
Als das grausige Ungeheuer durch die Wand der Herberge brach, verhielt sich Seihman wie die anderen Schaulustigen: Er wollte weglaufen. Die Menge um ihn stob auseinander wie dicke Regentropfen auf glattem Pflaster. Seihmans beste Jahre lagen schon länger zurück. Jetzt lief er so schnell wie möglich, versuchte dabei aber, den Dämon im Auge zu behalten. Obwohl Seihman blitzschnell losgeprescht war, schneller als viele jüngere Männer, hatte er Pech. Nach drei Sprüngen trat er auf etwas Hartes, Rundes und rutschte aus. Dann lag er flach auf dem Rücken.
Die Menge verschwand wie Rauch im Wind. Seihman lag plötzlich mutterseelenallein auf der Straße. Das Ungeheuer war nicht nur groß genug, um ihn mit einem Bissen zu verschlingen, sondern es war auch nahe genug, um im nächsten Augenblick zuzubeißen.
»Mitra, verschone mich!«
Seihman hatte seit zwanzig Wintern keinen Kupferling oder eine Minute für einen Tempel Mitras aufgewendet; aber jetzt schwor er stumm, daß er diese Versäumnisse wieder gutmachen werde, wenn der Gott ihm diese kleine Bitte erfüllte und ihm das Leben rettete.
Das Biest, häßlicher als alles, was Seihman bisher im Leben gesehen hatte, beäugte den auf dem Boden liegenden Mann ohne großes Interesse. Dann machte es kehrt und trollte sich in Richtung See.
Seihman setzte sich auf. »Oh, gesegnet seist du, Göttlicher Mitra! Ich stehe tief in deiner Schuld.«
Kaum war das Ungeheuer verschwunden, blickte Seihman aufs Pflaster, um zu sehen, worauf er ausgerutscht war.
Was? Dieses komische längliche Ding? Eine Art Kern ... aber einen so großen Kern hatte er noch nie gesehen. Ein Samenkorn?
Seihman hob den Samen auf und hielt ihn nachdenklich in der Hand. Vielleicht war das Ding irgendwie wertvoll? Er verstaute den Samen in seiner schmutzigen Tunika, direkt über dem faltigen Bauch. Morgen würde er ihn dem alten Talow zeigen, dem Gemüsehändler. Vielleicht wußte Talow, zu welcher Pflanze er gehörte und ob er etwas wert war. Vielleicht könnte er ihn sogar verkaufen. Möglicherweise brachte ihm der Fund einen großen Krug billigen Weins ein.
Ehe die Neugierigen zurückkamen, schlurfte Seihman zu seiner Schlafstelle hinter den Schweinekoben. In Gedanken spann er an einer Geschichte, die er seinem Freund, dem Ziegenhirten, erzählen würde, wenn sie das nächste Mal gemeinsam einen lüpften: Ja, ich habe das Ungeheuer mit eigenen Augen gesehen, das den Hölzernen Fisch zerstört hat. Es kam direkt auf mich zu; aber ich bin nicht von der Stelle gewichen. Ganz allein stand ich da und starrte ihm entschlossen in die tückischen Augen, bis es den Schwanz einzog und weglief.
Nun ja, eigentlich kam das der Wahrheit ziemlich nahe.
Der Morgen dämmerte am wolkenlosen Himmel und ergoß sein fahles kaltes Licht über das Land am Fluß.
Die Regenfluten hatten die meisten Spuren der fliehenden Selkies weggewaschen. Dennoch fanden Conan und die Baumleute am reißenden Fluß viele Hinweise, daß die Fischmänner dagewesen waren.
Fünf Selkies lagen tot am Ufer. Es gab zwei Arten dieser seltsamen Geschöpfe. Die eine hatte Conan bereits im Wald der Riesenbäume gesehen. Allerdings waren sie jetzt aufgedunsen, lila angelaufen und von Fliegen umschwärmt. Die andere Sorte Selkie war ein Fisch, doppelt so groß wie ein Mensch, mit langem, spitz zulaufendem Schwanz und Flossen. Auch sie waren aufgebläht und voller Fliegen. In zwei Körpern steckten Speere. Es roch stark nach Gift. Kein Aasfresser hatte sich an die Leichen herangewagt. Nur die blöden Fliegen hatten keine Scheu vor dem vergifteten Fleisch, was die meisten mit dem Leben bezahlen mußten.
»He, schau mal her!« rief Hok.
Der Cimmerier trat zu dem Jungen. Hok zeigte auf Fußabdrücke im trocknenden Schlamm. Ja, die kannte Conan aus der Wüste: Pili!
Aha! Man brauchte kein Genie zu sein, um zu verstehen, was sich hier abgespielt hatte. Die Pili und die Selkies hatten miteinander
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