Conan-Saga 54 - Conan der Gnadenlose
die Hälfte von ihnen die Nacht Wachdienst geleistet. Sein Platz war an ihrer Spitze.
Gleich darauf stand er hinter dem ersten halben Dutzend Männer. Der kühle Bergwind strich über seine bloße Brust. Einem Wachposten befahl er, dem König eine Botschaft zu überbringen.
»Melde ihm, dass eine größere Schar Fremder in der Nähe ist. Späher werden Einzelheiten herausfinden. Sämtliche Männer sind bewaffnet und kampfbereit.«
Er fügte nicht hinzu, dass er die Späher selbst anführen wollte. Das würde Eloikas höchstwahrscheinlich verbieten. Dann würde sinnlos Zeit verschwendet werden, einen anderen Führer zu suchen. Und Zeit hatten sie wirklich nicht.
»Ist das alles, Lord?«, fragte der Bote.
»Ja, sage dem König, sobald wir mehr wissen, werden wir ihn benachrichtigen und ...«
Decius brach ab, weil ihm das Kinn auf die Brust gesunken war. Doch er war nicht der Einzige, der verblüfft war.
Hauptmann Conan von der Zweiten Kompanie marschierte den Weg herauf. Er sah hagerer und wettergegerbter aus als zuvor, war jedoch am Leben und kampfbereit. Schwere Schritte und Waffenklirren verrieten Decius, dass der Cimmerier mit einer Gefolgschaft kam.
»Wohlan, Hauptmann Conan, du ...« Eigentlich wollte er hinzufügen, ›hast endlich aufgehört wegzulaufen‹, doch wäre das eine schwere Beleidigung gewesen, ja vielleicht eine falsche Anschuldigung. »Du bist gekommen. Kannst du dein Verhalten erklären?«
»Das und mehr«, sagte Conan. Decius' Verachtung prallte an ihm ab wie Kinderpfeile an einer Festung. »Ich habe eine Abteilung von Syzambrys Söldnern in Stücke gehauen, ferner einige Dinge vollbracht, über die man lieber nicht vor allen spricht. Wenn du meine Erklärungen gehört hast, wirst du mit Sicherheit sagen, dass sie genügen.«
Decius glaubte allmählich, dass der Cimmerier die Wahrheit sprach, nicht nur wegen seines selbstsicheren Tons. Die Königlichen hatten Gerüchte über die vernichteten Söldner gehört und dass Syzambry auf den Tod verwundet sei.
Die Gestalt hinter Conan nahm den Helm ab und schüttelte die Locken. Decius' Herz hüpfte vor Freude, er vermochte die finstere Miene nicht mehr zu wahren.
»Willkommen, Herrin Rainha.«
Bei ihrem Lächeln machte das Herz des Oberbefehlshabers erneut einen Sprung. Dann schritt ein Mann in grüner und brauner Kleidung, mit einem Beutel über der Schulter und einem Stab in der Hand, durch Conans Reihen. Die Bereitwilligkeit, mit der sie ihm Platz machten, ließ darauf schließen, dass er ihnen große Dienste erwiesen hatte.
»Dieser Mann ist ein Holzfäller, der uns zu deinem Lager geführt hat«, sagte Rainha.
»Er hat gewusst, wo wir sind?«, rief einer der Wachen und legte die Hand auf den Bogen.
»Friede«, beschwichtigte Conan ihn. »Der Holzfäller ist ein treu ergebener Mann. Glühende Zangen und die Streckbank würden ihn nicht dazu bewegen, sein Wissen Syzambry preiszugeben.«
Decius war bereit, das zu beschwören. Allerdings bezweifelte er, dass der Mann ein Holzfäller war. Vermutlich hielt Conan es nicht für ratsam, vor den anderen über ihn zu sprechen.
Decius rief eine Wache herbei. »Geh zu Seiner Majestät und melde, dass Hauptmann Conan mit Überlebenden der Zweiten Kompanie zurückgekommen ist und dem König Bericht erstatten will.«
Der Mann eilte davon. Decius musterte wieder den ›Holzfäller‹. Der Anblick war nicht so erfreulich wie der Rainhas, aber Pflicht vor Freude! Der Holzfäller stand da, als sei es für ihn nicht neu, wie ein Maultier oder ein Tuchballen begafft zu werden.
Gelassen blieb er stehen, bis der Soldat vom König zurückkehrte. Decius hatte inzwischen den Eindruck gewonnen, dass dieser Mann nichts enthüllte, was er nicht wollte. Das bedeutete, er musste Hauptmann Conan zuvorkommend behandeln, damit zumindest dieser den Mund aufmachte!
Das Zelt König Eloikas' hatte drei Wände aus kräftiger Leinwand, die mit Kräutern eingefärbt war und der Farbe des Waldbodens glich. Die rückwärtige Zeltwand stieß an einen Felsen, allerdings mit einem schmalen Spalt dazwischen: Der Fluchtweg des Königs, sollte sein Lager den Feinden in die Hände fallen.
Conans Meinung nach war der Pfad durch den Spalt ein sicherer Weg zu einem gnädigen Tod, da er bezweifelte, dass der König das mühsame Kriechen durch die Eingeweide des Bergs überleben konnte.
Bei ihrer letzten Begegnung hatte Eloikas wie ein Sechzigjähriger ausgesehen, jetzt glich er einem gebrechlichen Siebzigjährigen, dessen
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