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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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niedrigste Rang ist, wird die Nummer seiner Baracke auf seinen Handrücken tätowiert, so dass man erkennen kann, welcher Seffara er angehört und welcher Bash yoldash für ihn verantwortlich ist.«
    »Gut – man nahm also an, ich wäre aus der Baracke Nummer sieben in irgendeiner osmanischen Garnisonsstadt gekommen.«
    »Ganz genau. Und dennoch warst du offensichtlich nicht bei Verstand und zu kaum etwas anderem zu gebrauchen als zum Rudern, deshalb wurde beschlossen, dass du Tutsaklar bleiben solltest, bis du stirbst oder wieder bei Verstand bist. Im ersten Fall solltest du ein Janitscharenbegräbnis bekommen.«
    »Und im letzten?«
    » Das wird sich noch herausstellen. Jedenfalls nahmen wir das Erstere an. Also gingen wir zu dem hoch gelegenen Areal außerhalb der Stadtmauer, dem Begräbnisplatz der Ocak …«
    »Wie bitte?«
    » Ocak : ein türkischer Janitscharen-Orden nach dem Vorbild der Ritter von Rhodos. Sie herrschen über Algier und bilden hier ein Gesetz und eine Gesellschaft für sich.«

    »Gehört der Mann, der gerade auf uns zukommt, um uns mit seinem Bullenpenis eins überzuziehen, auch zu diesem Ocak ?«
    »Nein. Er arbeitet für den Korsaren-Kapitän, dem die Galeere gehört. Die Korsaren sind noch einmal eine Gesellschaft für sich.«
    Nachdem der Türke Jack und Moseh ein paar belebende Schläge mit dem Bullenpenis verpasst hatte und weitergegangen war, um andere Bernakelmuschel-Abkratzer zu verbläuen, forderte Jack Moseh auf, mit seiner Geschichte fortzufahren.
    »Der Hoca el-pencik , einige seiner Gehilfen und ich gingen zu diesem Ort. Und der war düster, Jack, mit seinen zahllosen Gräbern, zumeist in Form halber Eierschalen, wohl eine Erinnerung an die Yurten -Dörfer in den Steppen Zentralasiens – der Urheimat der Türken, nach der sie sich ewig sehnen werden -, obwohl ich mir, wenn sie auch nur die geringste Ähnlichkeit mit diesem Begräbnisplatz hat, überhaupt nicht vorstellen kann, warum. Jedenfalls wanderten wir auf der Suche nach deinem Leichnam eine Stunde lang zwischen diesen steinernen Yurten umher und wollten, da die Sonne bereits unterging, schon aufgeben, als wir eine gedämpfte, widerhallende Stimme in einer fremdartigen Sprache unablässig irgendeine Beschwörung oder Prophezeiung murmeln hörten. Nun war der Hoca el-pencik ohnehin nervös, denn dieser endlose Spaziergang kreuz und quer durch den Begräbnisplatz hatte ihn an Dämonen, Ifrits und andere Ungeheuer erinnert. Als er diese Stimme hörte, die (wie wir bald merkten) aus einem großen Mausoleum kam, in dem ein Agha bestattet worden war, fehlte nicht viel und er wäre in Richtung Stadttore losgerannt. Und seine Gehilfen ebenso. Da sie aber jemanden bei sich hatten, der nicht nur ein Sklave, sondern obendrein noch Jude war, schickten sie mich in dieses Grab, um zu sehen, was passieren würde.«
    »Und was passierte?«
    »Ich fand dich, Jack, wie du aufrecht in diesem gespenstischen, aber herrlich kühlen Raum standst, mit den Fäusten den Sarg des Agha traktiertest und ständig bestimmte englische Worte wiederholtest. Ich wusste nicht, was sie bedeuteten, aber sie klangen ungefähr so: ›Sei ein guter Junge, du da drin, und bring mir einen Halben von deinem besten Bitter!‹«
    »Ich muss wirklich übergeschnappt gewesen sein«, murmelte Jack, »das leichte Lagerbier aus Pilsen passt doch viel besser zu diesem Klima.«
    »Du warst immer noch verrückt, hattest aber ein gewisses Fünkchen
an dir, das ich in den ein oder zwei Jahren zuvor nicht gesehen hatte – jedenfalls nicht, seit wir nach Algier verkauft worden waren. Ich vermutete, dass die Hitze deines Fiebers im Verein mit den glühend heißen Strahlen der Mittagssonne, in der du stundenlang gelegen hattest, die Syphilis aus deinem Körper ausgetrieben hatte. Und tatsächlich bist du seither jeden Tag ein bisschen klarer geworden.«
    »Was hielt der Hoca el-pencik denn davon?«
    »Als du herauskamst, warst du nackt und von der Sonne so rot wie ein gekochter Krebs, und es wurde darüber gemutmaßt, ob du wohl irgendeine Art von Ifrit seiest. Dazu muss ich dir sagen, dass die Türken in Bezug auf alles und jedes abergläubisch sind, allem voran in Bezug auf Juden – sie meinen, wir hätten übersinnliche Kräfte, und in letzter Zeit haben die Kabbalisten auch eine Menge dazu beigetragen, dass solche Phantasien sich halten. Auf jeden Fall hatte das Problem sich bald erledigt. Unser Besitzer bekam mit einem Stock vom Durchmesser meines Daumens einhundert

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