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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Schweine haben sie eine zu regelmäßige Form«, gab Jack zu bedenken. »Das sind Barren aus veredeltem Material.«
    »Trotzdem – es muss Silber sein, denn in den Bergwerken von Neuspanien wird kein Gold gewonnen«, entgegnete Jeronimo trotzig. In dem Moment gelangte Jack zu einer kleinen Erkenntnis in Bezug auf Excellentissimo Domino Jeronimo Alejandro Peñasco de Halcones Quinto: Er hatte sich eine Geschichte im Kopf zurechtgelegt, wie die Erzählungen in den modrigen Büchern seiner Vorfahren. Die Geschichte war für ihn die einzige Möglichkeit, seinem Leben einen Sinn zu geben. Sie endete damit, dass er heute Nacht, hier, einen Haufen Silberschweine fand. Irgendetwas anderes als Silberschweine zu finden, hieß, vom Schicksal grausam verspottet zu werden; Gold zu finden war so schlimm wie gar nichts zu finden.
    Doch Jacks Überlegungen und die Leugnungen des Caballero wurden durch ein scharfes Geräusch unterbrochen. Der Raïs hatte eine Münze aus seinem Geldgurt genommen und sie auf einen der Barren geworfen. Sie drehte sich schwirrend, eine kleine silbrig-weiße Scheibe auf einer dicken gelben Platte. »Das ist ein Piaster – falls ihr vergessen habt, wie Silber aussieht«, sagte Nasr al-Ghuráb. »Das, worauf er liegt, ist Gold.«

    Danach sagte lange Zeit keiner von ihnen etwas. Selbst Jeronimos Zunge war zum Verstummen gebracht worden.
    Moseh räusperte sich. »Ich glaube, bei den Juden gibt es dafür kein Wort«, sagte er, »denn wir erwarten gar nicht, so viel Glück zu haben. Aber die Christen nennen das, glaube ich, Gnade.«
    »Ich würde es Blutgeld nennen«, sagte Dappa.
    »Es war immer Blutgeld«, erwiderte Jeronimo.
    »Du hast uns einmal erzählt, dass die Bergleute in den Silberminen von Guanajuato Freie sind«, erinnerte ihn Dappa. »Da das hier Gold ist, muss es aus den Minen in Brasilien stammen – in denen Sklaven aus Afrika arbeiten.«
    »Ich habe gesehen, wie du vor noch nicht einer halben Stunde einen spanischen Matrosen erschossen hast – wo waren denn da deine Skrupel?«, fragte Jack.
    Dappa funkelte ihn an. »Überwältigt von dem Verlangen, meinen Kameraden nicht mit einem Loch im Gesicht zu sehen.«
    Jeronimo sagte: »Der Plan lässt nicht zu, dass wir Gold finden, wo wir mit Silber gerechnet haben. Es bedeutet, dass wir dreizehn Mal soviel Geld haben wie berechnet. Höchstwahrscheinlich werden wir uns am Ende alle gegenseitig umbringen – vielleicht schon heute Nacht!«
    »Da spricht aber dein Dämon«, sagte al-Ghuráb.
    »Und mein Dämon sagt immer die Wahrheit.«
    »Wir werden mit dem Plan weitermachen, als wäre das hier Silber«, sagte Moseh nervös.
    Jeronimo sagte: »Ihr seid alle dreckige Lügner oder Dummköpfe. Offensichtlich gibt es gar keinen Grund, nach Kairo zu fahren!«
    »Ganz im Gegenteil: Es gibt einen hervorragenden Grund, nämlich den, dass der Investor erwartet, uns dort zu treffen, um seinen Anteil einzufordern.«
    »Der Investor persönlich?! Oder meintest du, die Agenten des Investors?«, fragte Jack scharf.
    Moseh sagte: »Das macht keinen Unterschied«, wechselte aber einen nervösen Blick mit Dappa.
    »Ich habe gehört, wie einer der Beamten des Paschas witzelte, der Investor fahre nach Kairo, um Ali Zaybak zu jagen!«, sagte der Raïs in dem Bemühen, ein wenig Leichtigkeit in die Sache zu bringen. Dieser Versuch ging jedoch gründlich daneben, und am Ende stand er selbst völlig verwirrt da und Moseh am Rande der Ohnmacht.
    »Warum verschwenden wir unsere Atemluft darauf, über den Froschfresser
zu reden?«, fragte Jeronimo. »Soll der Hurensohn seinen Phantasien bis ans Ende der Welt nachjagen, das kann uns doch egal sein.«
    »Die Antwort ist einfach: Er hält uns das Messer an die Kehle«, sagte al-Ghuráb.
    »Wovon sprecht ihr überhaupt?«, wollte Jack wissen.
    »Die Jacht ist nicht zu unserer Ablenkung hier heruntergesegelt«, sagte der Korsar. »Zu dem Zweck hätte er jeden morschen alten Kahn herschicken können.«
    »Was der Türke sagt, klingt vernünftig«, sagte Dappa auf Englisch zu Jack. » Jacht bedeutet ›Jäger‹, und das ist das schnittigste Schiff, das mir je untergekommen ist. Es könnte uns umkreisen – und dabei Breitseiten auf uns abfeuern.«
    »Die Météore ist also bereit, uns zu töten, wenn wir ein falsches Spiel spielen«, sagte Jack, »aber woher soll sie wissen, ob wir getötet werden müssen oder nicht?«
    »Bevor wir heute Nacht losrudern, müssen wir ein bestimmtes Hornsignal abgeben. Tun wir das nicht – oder

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