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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Achtern war ein gewaltiger Aufruhr im Gange. Plötzlich wurden mehrere Pistolen abgefeuert, was Jack aufschrecken
ließ. Im selben Moment hörte er ganz in der Nähe eine gasartige Eruption, und als er sich umdrehte, erblickte er einen Spanier, der mit heruntergelassener Hose auf einer Bank saß und aus einem erstaunten Mondgesicht zu Jack aufschaute. Der Mann machte Anstalten aufzustehen, aber Jack ließ sich einfach auf ihn fallen, drückte ihm die Schulter in den Unterleib, um ihn am Schreien zu hindern, stieß ihn mit dem Hinterteil voraus in das Loch, auf dem er gesessen hatte, und klemmte ihn dort mit gen Himmel ragenden, schimmernden Knien ein. Der Spanier streckte eine Hand aus, als wäre sie ein Enterhaken an einem Seil, und griff nach seinem Rock, der ordentlich gefaltet auf der Bank lag, gleich neben einer geladenen Pistole. Doch da hatte Jack schon das Janitscharenschwert gezückt, dessen Spitze er dem Spanier auf den Bauch setzte. »Die bekomme ich, Señor«, sagte er und nahm die Pistole mit seiner freien Hand an sich.
    Die anderen vier Enterer kämpften sich gerade über die Reling. Sie kamen genau richtig, denn von achtern ertönte ein mächtiges, splitterndes Krachen. Dass Jack seit Jahren Galeerensklave unter den Barbarei-Korsaren war, erwies sich nun als Vorteil, denn er kannte und identifizierte dieses Geräusch: Es war das einer großen eisernen Rammspitze, die sich in den Rumpf eines europäischen Schiffes bohrte. Und kurz darauf folgte ein Zusammenstoß, bei dem sie alle einen Hopser machen mussten, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
    Nyazi war von allen am weitesten hinten an Bord geklettert, und an seiner ungedeckten Seite kam plötzlich ein Spanier mit einem Dolch auf ihn zugeschlichen. Die Waffe schoss vorwärts und traf ins Leere. Nyazi hatte den Angriff irgendwie gespürt und sich weggeduckt. Dann war er wieder da, schwang sein Entermesser und streckte seinen Angreifer mit einem heftigen Rückhandstreich nieder.
    Dappa, Gabriel, Jewgeni und Jack bewegten sich nun alle gleichzeitig, in wortlosem Einverständnis. Manche Teile des Plans waren kompliziert, dieser hier jedoch nicht. Eine Brigg hatte zwei Masten, und jeder Mast hatte auf halber Höhe eine Mars genannte Plattform, die über die Wanten mit ihrem strickleiterartigen Netz aus Webleinen zu erreichen war. Die Vormars war in diesem Moment nicht besetzt. Jack gab die Pistole an Dappa weiter, der sie sich in den Gürtel steckte und sich an den Aufstieg in die Fock machte. Jewgeni lud ein paar Pistolen, die er mitgebracht hatte (da sie in einem teilweise durchnässten Sack durcheinander plumpsen würden, hatte er sie wohlweislich nicht in geladenem Zustand eingepackt und so auch ihr Pulver trocken gehalten).
Jack und Gabriel kämpften sich getrennt nach achtern durch, der eine die Backbord-, der andere die Steuerbordreling entlang, wobei Jack sein Janitscharenschwert schwang und Gabriel einen kuriosen Zweihand-Krummsäbel japanischer Herkunft, eine Leihgabe aus der Trophäensammlung irgendeines Korsarenkapitäns. Was sie durchtrennten, waren jedoch keine Hälse, sondern Taljereepe, die Taue also, die, parallel durch große Blöcke geführt, dazu benutzt wurden, die Rahen hochzuziehen, an denen die Segel des Schiffs aufgehängt wurden.
    Schließlich begannen Jack und Gabriel in die Hauptwanten zu steigen, die an der Großmars zusammentrafen, wo drei spanische Matrosen reichlich spät bemerkt hatten, dass sie gekapert wurden. Einer von ihnen zog eine Pistole und richtete sie hinunter auf Jack, wurde jedoch von einer Kugel, die Dappa von der wenige Yard entfernten Vormars aus abgeschossen hatte, in den Arm getroffen. Einen Augenblick später feuerte Jewgeni vom Deck aus nach oben, traf aber offensichtlich nicht – vorausgesetzt, er wollte überhaupt irgendetwas treffen. Die beiden unverletzten Matrosen auf der Großmars stellten nämlich völlig konsterniert fest, dass sie vom Bug ihres eigenen Schiffs aus unter Beschuss standen, nachdem sie erst unmittelbar zuvor achtern gerammt worden waren, und es war vermutlich besser, fassungslose und unentschlossene als verwundete und wutschnaubende Männer vor sich zu haben. Jack und Gabriel erreichten die Großmars etwa im selben Moment, entwaffneten die beiden unverletzten Seeleute mit vorgehaltener Klinge und ermunterten sie in den stärksten ihnen zur Verfügung stehenden Worten dazu, auf Deck hinabzuklettern. Jewgeni warf ein paar Musketen nach oben, die noch gar nicht geladen

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