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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Adjutanten zu, der seine Satteltaschen öffnete und begann, eine Reihe identisch aussehender, offiziell im Stil der osmanischen Bürokratie versiegelter und bebänderter Dokumente herauszuziehen.
    Jack drehte sich um und winkte Nasr al-Ghuráb, der in einem Torweg gelauert hatte, zu sich. Der Raïs kam heraus, legte seine Waffen nieder und näherte sich dem Adjutanten des Herzogs, der ihm gestattete,
eines der Dokumente in Augenschein zu nehmen. »Es ist die Widerrufung eines Sklaven-Besitztitels«, sagte er. »Auf ihr steht der Name Jeronimo, und sie erklärt ihn zu einem freien Mann.«
    »Lies die anderen«, sagte Jack.
    »Nun zu der bereits erwähnten wichtigen Angelegenheit«, sagte der Herzog, »wegen der ich überhaupt die Reise von Alexandria hierher gemacht habe.«
    »Dappa«, las al-Ghuráb auf einer anderen Schriftrolle. »Nyazi.«
    Ein Karren rumpelte von hinten durch die französischen Linien heran und ließ Jack zusammenfahren; er war jedoch nur mit einer verschließbaren Kassette beladen. »Eure Piaster«, erklärte der Herzog, der sich über Jacks Nervosität amüsierte.
    »Jewgeni – und hier ist Gabriel Gotos«, fuhr der Raïs fort.
    »Nehmen wir an, der arme Teufel, den Ihr in Alexandria präsentiert habt, war wirklich L’Emmerdeur , wie viel wollt Ihr für ihn haben?«, fragte der Herzog.
    »Da wir jetzt alle freie Männer sind, oder jedenfalls zu sein scheinen, werden wir uns im Gegenzug auch ehrenhaft verhalten: Ihr werdet ihn umsonst bekommen – oder gar nicht«, sagte Jack.
    »Hier ist die von van Hoek«, sagte der Raïs , »und hier eine Entlassung für mich.«
    Wieder ein nachsichtiges Lächeln des Herzogs. »Ich kann gar nicht dringend genug empfehlen, dass Ihr ihn mir gebt. Ohne L’Emmerdeur findet kein Geschäft statt.«
    »Vrej Esphahnian – Padraig Tallow – Mr. Foot...«
    »Und trotz Eurer unerschrockenen Worte«, fuhr der Herzog fort, »ist es eine Tatsache, dass Ihr von meinen Dragonern, Musketieren und Janitscharen umzingelt seid. Das Gold ist mein, so sicher, als läge es in meinem Kellergewölbe in Paris.«
    »Bei diesem hier ist die Stelle, wo der Name stehen müsste, freigelassen«, sagte Nasr al-Ghuráb und hielt das letzte Dokument hoch.
    »Das liegt nur daran, dass uns der Name von dem da nicht genannt wurde«, erklärte Pierre de Jonzac, den Finger auf Jack gerichtet.
    »Euer Kellergewölbe in Paris«, ließ Jack die Worte des Herzogs widerhallen. Er sprach jetzt unmittelbar zu ihm, im besten Französisch, dessen er mächtig war. »Ich vermute mal, dass es sich irgendwo unter der Schlafzimmerflucht im Westflügel befindet, dort wo Ihr die scheußliche grüne Marmorstatue von König Louis als Neptun stehen habt.«

    Darauf folgte ein Schweigen, fast so lang wie das, das Jack einst in dem großen Ballsaal des Hôtel d’Arcachon erlebt hatte. Doch alles in allem fing der Herzog sich schnell wieder – was bedeutete, dass er es entweder die ganze Zeit gewusst hatte oder dass er anpassungsfähiger war, als es den Anschein hatte. De Jonzac und der andere Adjutant waren sprachlos. Der Herzog ritt ein paar Schritte näher heran, um besser in Jacks Gesicht hinabblicken zu können. Jack trat vor, so weit, dass er den Atem aus den Nüstern des Pferdes spürte, und zog sich den Turban vom Kopf.
    »Dadurch müssen sich die Bedingungen des Geschäfts nicht ändern, Jack«, sagte der Herzog. »Durch ein einziges Wort von dir können deine Kameraden alle frei und reich sein.«
    Jack stand da und dachte ein oder zwei Minuten – ernsthaft – darüber nach, während Pferde schnaubten und überall um ihn herum in den dunklen Wölbungen der Karawanserei der Zunder schwelte. Eine kleine Geste christusgleicher Selbstverleugnung, und er könnte seinen Kameraden den Reichtum und die Freiheit schenken, die sie verdienten. Zu jedem früheren Zeitpunkt seines Lebens hätte er für einen solchen Gedanken nur Spott übriggehabt. Jetzt übte er einen sonderbaren Reiz aus.
    Jedenfalls für einen Moment.
    »Leider kommt Ihr einen Tag zu spät«, sagte er schließlich, »denn letzte Nacht haben meine Kameraden mir zahllose großartige Eide geschworen, und ich beabsichtige, sie beim Wort zu nehmen. Alles andere wäre schlechter Stil.«
    Und in einer einzigen Bewegung zückte er sein Janitscharenschwert und stieß es dem Pferd des Herzogs, auf sein Herz zielend, bis zum Griff in den Hals. Als er das Herz traf, presste sich der gewaltige Muskel wie eine Faust um die breite Spitze der Klinge und

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