Confusion
Wirbelsturm aus Fassdauben, Kieselsteinen, Nägeln, Hufeisen und Körperteilen, die durch den Rauch hierhin und dorthin flogen, und das plötzliche Ächzen und Knacken von Holz, als Teile des Fußbodens aufbrachen. Jacks Ohren verweigerten ihm ihren Dienst. Doch dann übertrug der Steinboden, auf den sein Schädel sich am Ende presste, das wilde Klappern von Hufen, das Knirschen und Quietschen eisenbeschlagener Wagenräder und – bedauerlicherweise – den Lärm von mindestens einer Wagenladung Gold, die umkippte, als in Panik geratene Pferde sie zu schnell um eine Ecke zogen, auf direktem Weg in sein Gehirn. Jeder einzelne Goldbarren schlug mit einem fürchterlichen Getöse auf dem Pflaster auf.
Wie er nun so flach auf dem Rücken lag, gelangte Jack zu der nützlichen Erkenntnis, dass unmittelbar über dem Boden eine Schicht frischer Luft hing. Er zog sein durchnässtes Hemd aus, band es sich über Mund und Nase und fing an, auf seinem nackten Bauch vorwärtszukriechen. Vor sich hatte er ein Gewirr aus Heuhaufen und Leichen, aber durch einen breiten steinernen Torbogen fiel Licht herein. Er schleppte sich hinaus ins Freie – und mitten in den Kampf.
Monsieur Arlanc machte ihn auf sich aufmerksam, indem er ihm ein Steinchen an den Kopf warf, und gab ihm zu verstehen, dass er sich bei ihm hinter einem umgestürzten Karren in Sicherheit bringen sollte. Eine Weile lag Jack inmitten verstreuter Goldbarren und atmete einfach nur. Währenddessen kroch Mr. Arlanc auf dem Bauch hin und her, sammelte die Goldbarren ein und stapelte sie zu einem Schutzwall
auf. Ab und zu schlug eine Musketenkugel hinein, aber die meisten gingen über ihre Köpfe hinweg.
Nachdem sich Jack auf den Bauch gerollt hatte, spähte er durch eine Schießscharte, die der Hugenotte mit Bedacht zwischen den Goldbarren freigelassen hatte, und konnte die breitkrempigen Schlapphüte der französischen Musketiere erkennen. Sie hatten sich in mehreren parallelen Reihen hintereinander formiert und riegelten die Straße ab, die zu dem Kanal hinunterführte, wo das Fluchtboot der Verschwörer wartete. Diese Reihen wechselten sich mit dem Hinknien, Laden, Aufstehen, Zielen und Feuern ab und erzeugten so ein gleichbleibendes Sperrfeuer, das es den Mitgliedern der Verschwörertruppe unmöglich machte, vorzurücken oder wenigstens aufzustehen. Diese menschliche Straßensperre war nur etwa vierzig Yard entfernt und ohne jede Deckung. Dennoch funktionierte sie, weil die Verschwörer nicht genug Musketen, Pulver und Kugeln besaßen, um das Feuer zu erwidern. Und es würde solange funktionieren, wie diese Musketiere Nachschub an Munition hatten.
In der Zwischenzeit brannten hinter ihnen die Stallungen weiter, und ab und zu gab es kleine Explosionen. Die Lage konnte aber gar nicht so miserabel sein, wie sie aussah , denn sonst wären sie alle schon tot gewesen. Zwischen Musketensalven hörte Jack das Wiehern von Pferden und das schnarrende Schreien von Kamelen. Er wandte den Blick nach links und sah einen von einer niedrigen Steinmauer umgebenen Stallhof, auf dem Nyazis Männer ihre Kamele dazu gebracht hatten, sich hinzuknien, und ihre Pferde, sich auf die Seite zu legen. Damit hatten sie jedenfalls eine Art Reserve, die eingesetzt werden konnte, um die Karren hinunter zum Boot zu ziehen – allerdings nicht, solange diese Karren vierzig Yard von einer Kompanie von Musketieren entfernt standen.
»Wir müssen diese Bastarde von der Flanke angreifen«, sagte Jack. Der Gedanke lag auf der Hand – weshalb auch andere ihn schon gehabt haben mussten -, was womöglich die Tatsache erklärte, dass hier nur wenige Mitglieder der Verschwörertruppe zu sehen waren. Die linke Flanke, die er jenseits dieses befestigten Stallhofs ausmachte, sah nach einer Sackgasse aus; in dieser Richtung war der Weg durch eine hohe Steinmauer versperrt, die in früheren Zeiten einmal zur Befestigungsanlage von Kairo gehört haben mochte und jetzt eine Art wilden Steinbruch darstellte.
Deshalb kroch Jack entlang der Linie aus goldenen Schutzwällen
und nicht mehr fahrtauglichen Wagen nach rechts und entdeckte eine Seitenstraße, die in das Labyrinth des Khan el-Khalili hinausführte. Am Eingang zu dieser Straße war ein Janitschar mit einem acht Fuß langen Speer an eine Holztür genagelt, was Jack als Beweis dafür wertete, dass Jewgeni vor kurzem hier vorbeigekommen war. Eine Wasserpfeife verspritzte aus mehreren Einschusslöchern braune Wasserstrahlen. Als er erst einmal auf der Straße
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