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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Klang auseinanderhalten, und er war sich sicher, dass da oben noch mehrere andere Arabisch sprechende Männer – Nyazis Clanbrüder – waren. Der Kampf auf den Dächern würde also zwischen Kamelhändlern und Janitscharen ausgetragen.
    Auf die Ellbogen gestützt, überblickte Jack die Straße und konnte jetzt sehen, dass Jewgeni, Padraig und der Nubier in Türnischen zurückwichen und damit erst einmal sicher waren, aber nicht zu der Barrikade der Musketiere vorrücken konnten.
    Jack trat den Rückzug an, indem er sich wie ein Aal den Rinnstein aufwärtswand, bis er aus der Schusslinie war; dann stand er auf und rannte zurück zur Vorderseite der Stallungen, wo der Wagenzug feststeckte.
Von dort konnte er in den Stallhof sehen, wo Jeronimo gerade ein Araberpferd sattelte und sich offensichtlich für irgendetwas bereit machte.
    Aus einem ihrer Nachschubwagen holte Jack sich ein Pulverfässchen und einen irdenen Krug mit Lampenöl. Dann drehte er sich um und ging zurück, wobei er zuerst auf dem Bauch kroch und die beiden Gegenstände vor sich herschob und später das Fässchen an sich presste und rannte. Ein kurzer Blick nach rechts zu der T-Kreuzung zeigte ihm, dass Gabriel Goto immer noch bei dem Nadelöhr beschäftigt war und französische Körperteile weiterhin alle paar Sekunden dumpf auf den Boden aufschlugen. Das Schwert wirbelte umher und zeichnete, der Schreibfeder eines königlichen Kalligraphen ähnlich, barocke Figuren in die Luft.
    Jack hielt bei der Leiche des Türken inne, um den mit Wachs versiegelten Stöpsel von dem Krug mit Lampenöl zu entfernen. Ungefähr die Hälfte seines Inhalts goss er über das Pulverfässchen, wobei er ihn langsam darauf tröpfeln ließ, damit das Öl in das trockene Holz eindrang, statt auf den Boden zu laufen. Dann rannte er um eine Kurve zu der Gabelung und sprang erneut in den Rinnstein: diese U-förmige Rinne mit senkrechten Seiten und einem gerundeten Boden, so breit, dass das Fässchen, auf die Seite gelegt, hineinpasste und sich zum größten Teil unterhalb der Straßenoberfläche befand. Auf seiner mit eisernen Fassbändern versehenen Rundung konnte das Fässchen wie ein Wagenrad zwischen den steilen seitlichen Einfassungen des U rollen.
    Das stinkende Fass vor sich herschiebend, bewegte er sich Stück für Stück vorwärts, bis er das direkte Feuer der Musketiere, die die Straßensperre weniger als zehn Yard entfernt besetzten, auf sich zog. Panikartig versetzte er dem Fässchen einen Stoß und wich zurück. Eigentlich hatte er den Rest des Lampenöls in den Rinnstein gießen und als eine Art flüssige Lunte verwenden wollen. Doch jetzt überrollten ihn die Ereignisse. Jewgeni war nämlich auf die Idee gekommen, die Barrikade in Brand zu stecken, und hatte aus einem Speer und einem ölgetränkten Lumpen eine Art brennende Lanze gebastelt. Als Jack aus dem Rinnstein herausschaute, feuerte Jewgeni an dieser Vorrichtung entlang eine Pistole ab, und entzündete den Lumpen; dann trat er hinaus auf die Straße und bekam auf der Stelle eine Musketenkugel in die Rippen. Er hielt kurz inne, ging noch einen Schritt weiter auf die Straße und bekam eine zweite in den Oberschenkel.
Doch nach russischen Maßstäben schienen solche Wunden nicht einmal die Bezeichnung schmerzhaft zu verdienen, und so hob er mit vollkommener Sicherheit die brennende Harpune hoch, schätzte die Entfernung, hüpfte auf seinem unverletzten Bein drei Schritte vorwärts und schleuderte sie auf das Pulverfässchen. Eine weitere Kugel traf ihn im linken Handgelenk und wirbelte ihn herum. Wie eine gefällte Eiche stürzte er auf die Straße. Im selben Augenblick tauchte Jack aus dem Rinnstein auf und fand sich mit dem Rücken zu der Straßensperre mitten in der Gabelung wieder.
    Plötzlich leuchtete ein helles Licht auf. Es warf einen langen Schatten hinter Gabriel Goto, der die Straße hinunterging und einen vom Saum seines schwarzen Gewands herabtriefenden Blutstreifen über die Quadersteine zog. Er wirkte vollkommen unversehrt.
    Jack drehte sich um und sah, wie es Bretter auf die ganze Umgebung herabregnete und einzelne Wagenräder die Straße entlangholperten. Die rechte Abzweigung der Gabelung, wo vorher die Barrikade gestanden hatte, war jetzt ein einziges qualmendes Durcheinander. Auf dem Dach darüber hatte Nasr al-Ghuráb sich trotz eines gehäuteten und schrecklich zugerichteten Oberschenkels in Stellung geschleppt. Er zückte ein Entermesser, warf sein unversehrtes Bein über die

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