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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Schutz der gierigen Schatten des Spätnachmittags in Türeingängen und Nischen zu sammeln, und schwärmten hin und wieder in der Hoffnung, etwas von dem Gold zu ergattern, ins Licht aus. Trotz alledem konnten die Verschwörer eine Viertelstunde später die Stallungen – jetzt ein einziges Flammeninferno – mit vier von den ursprünglich sechs mit Gold beladenen Karren hinter sich lassen.
    Jack und Gabriel Goto fuhren auf dem letzten davon, angeblich als Nachhut. Beide wollten aber auch noch etwas anderes erledigen. Als sie auf der Höhe der Seitenstraße waren, wo die Straßensperre explodiert war, zügelten sie ihr Pferd, sprangen ab und liefen los, um Jewgeni zu holen.
    Wegen der schwelenden Trümmer, die die Straße mit dichtem Rauch erfüllten, konnten sie die Stelle, an der er hingefallen war, erst sehen, als sie fast schon dort waren. Sie fanden jedoch nichts als einen großen Fleck aus geronnenem Blut. Jewgenis Blut hatte, als es auf dem Weg in die Gosse zwischen den Pflastersteinen hindurchsickerte, deren Umrisse mit dünnen roten Linien nachgezeichnet. Jewgeni selbst war jedoch nirgendwo zu sehen. Die einzigen weiteren Spuren von ihm waren seine linke Hand, die ihm abgeschossen worden war, und ein paar schnörkellose, mit Blut auf das Pflaster geschriebene Schriftzeichen. Eine ungleichmäßige Linie aus blutigen Fußspuren schlängelte sich die Straße entlang zu den Stallungen und verschwand in Staub und Rauch.
    »Kannst du das lesen?«, fragte Jack Gabriel.
    »Da steht: ›Nehmt den langen Weg‹«, antwortete Gabriel.
    »Was zum Teufel soll das bedeuten?«
    »Im Besonderen? Keine Ahnung. Im Allgemeinen? Es lässt vermuten, dass er irgendeinen anderen Weg gehen wird.«

    »Gesprochen wie ein Jesuit.«
    »Er ist den Weg gegangen«, sagte Gabriel und zeigte in Richtung Karawanserei, »und wir müssen diesen nehmen.« Dabei deutete er hinter sich auf die Goldkarren.
    »Da werden wir sowieso gebraucht«, sagte Jack und fiel in Laufschritt. Ihr Karren war nämlich bereits zum Angriffsziel eines bunt gemischten Haufens von Dieben, Landstreichern, Janitscharen und französischen Soldaten geworden. Allein durch ihr Auftauchen von der Seite her, die blutigen Säbel schwingend, vertrieben Jack und Gabriel die meisten von ihnen. Besser bewaffnete und entschlossenere Plünderer blieben ihnen jedoch dicht auf den Fersen, und so wurden die beiden, als sie mit einigen von Nyazis Leuten die halbe Meile zum Kanal hinunterrumpelten, wenn auch in gebührendem Abstand, von einer Art Wolfsrudel verfolgt.
    Am Kanal, dort wo die Straße endete, warteten Mr. Foot, Vrej, Surendranath und van Hoek – die aussahen, als hätten sie an diesem Nachmittag auch ein paar Abenteuer durchgestanden. Sie hatten eine schwere Rampe über den Spalt zwischen dem Kai und dem Flachboot geworfen, und die anderen drei Goldkarren waren bereits darüber gerumpelt und hatten viel von ihrer Ladung auf dem Deck verloren.
    Auf einer Seite der Straße stand ein armselig aussehender Heuwagen, vor den ein Kamel gespannt war. Als der letzte Karren, auf dem Jack und Gabriel saßen, an ihm vorbeigeholpert war, knallte eine Peitsche, und das Gefährt schoss mitten auf die Straße. Da nichts mehr den Goldkarren daran hindern konnte, die Rampe zu erreichen, sprang Jack ab und wandte sich dem Heuwagen zu, von dem aus er irgendeine Art von Angriff erwartete. Doch kaum hatte er sein Gleichgewicht wiedergewonnen, hatte der Heuwagen auch schon in der Mitte der Straße angehalten und sich so der Horde der Verfolger in den Weg gestellt. Der Fuhrmann (Nyazi!) und ein anderer Mann (Moseh!) sprangen herunter und keilten die Wagenräder fest, und gleichzeitig schien der Heuhaufen auf der Ladefläche des Wagens lebendig zu werden; ein Großteil der Ladung landete auf der Straße. Zum Vorschein kamen ein langer, röhrenförmiger Gegenstand (eine Kanone!) und daneben ein Schwarzer (Dappa!), der sich gerade hochrappelte.
    Einerseits überraschte ihn das nicht, denn es gehörte auch zum Plan – schließlich hatten sie den ganzen gestrigen Tag darauf verwandt, das verdammte Stück zu kaufen. Andererseits aber doch , denn eigentlich hätte es, geladen, ausgerichtet und schussbereit, schon am
Kai stehen sollen. Stattdessen war es im Moment erst hier angekommen – gerade rechtzeitig , dachte Jack, wenn es geladen gewesen wäre! Statt nun aber eine Fackel in ihr Zündloch zu stopfen, machte Dappa sich jetzt daran, eine zu seinen Füßen ausgebreitete Sammlung klimpernder

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