Confusion
Inhalt.«
»Man müsste sie also neu nummerieren.«
»Nach welchem Prinzip? Nach dem Namen des Autors?«
»Ich glaube, es wäre besser, so etwas wie Wilkins’ philosophische Sprache zu verwenden. Für jedes denkbare Thema gäbe es eine ganz bestimmte Zahl. Man schreibe diese Zahl auf den Rücken des Buches und ordne die Bücher entsprechend ein. Dann kann man sich direkt zur richtigen Stelle der Bibliothek begeben und findet sämtliche Bücher zu einem bestimmten Thema beieinander.«
»Aber angenommen, ich beschäftige mich mit Aristoteles. Aristoteles ist mein Thema. Kann ich dann erwarten, dass alle Aristoteles-Bücher beieinanderstehen? Oder stünden seine Werke zur Geometrie in einem anderen Teil als seine Werke zur Physik?«
»So betrachtet ist das Problem äußerst diffizil.«
Leibniz trat vor ein leeres Bücherregal und fuhr mit dem Finger von links nach rechts über ein Regalbrett. »Ein Regalbrett ist einer cartesischen
Zahlenreihe vergleichbar. Die Position eines Buches auf diesem Brett lässt sich durch eine Zahl bezeichnen, aber nur durch eine einzige! Wie eine Zahlenreihe, so ist das Brett eindimensional. In der analytischen Geometrie können wir zwei oder drei Zahlenreihen einander im rechten Winkel schneiden lassen, um einen mehrdimensionalen Raum zu erzeugen. Nicht so bei Bücherregalen. Das Problem des Bibliothekars besteht darin, dass Bücher in ihrer Thematik mehrdimensional sind, jedoch auf eindimensionalen Regalen angeordnet werden müssen.«
»Das ist mir nun klar, Doktor«, sagte Fatio. »Tatsächlich komme ich mir allmählich so vor wie Simplicio in einem von Galileos Dialogen. Also lasst mich die Rolle zu Ende spielen und Euch fragen, wie Ihr das Problem zu lösen gedenkt.«
»Gut gespielt, mein Herr. Überlegt Euch Folgendes: Angenommen, wir ordnen die Zahl drei Aristoteles und die Vier den Schildkröten zu. Nun müssen wir entscheiden, wo wir ein Buch von Aristoteles zum Thema Schildkröten hinstellen. Wir multiplizieren drei mit vier, erhalten zwölf und stellen das Buch auf Position zwölf.«
»Ausgezeichnet! Durch eine einfache Multiplikation habt Ihr mehrere Themenzahlen zu einer einzigen verbunden – den mehrdimensionalen Raum zu einer eindimensionalen Zahlenreihe zusammenfallen lassen.«
»Es freut mich, dass Ihr meinen Vorschlag bis hierher favorisiert, Fatio, doch nun bedenkt Folgendes: Angenommen, wir ordnen die Zahl zwei Plato zu, und die Sechs Bäumen. Und angenommen, wir erwerben ein Buch von Plato zum Thema Bäume. Wo gehört es dann hin?«
»Das Produkt von zwei und sechs ist zwölf – es kommt also neben Aristoteles’ Buch über Schildkröten.«
»So ist es. Und ein Gelehrter, der letzteres Buch sucht, stößt stattdessen vielleicht auf ersteres – eindeutig ein Versagen des Katalogsystems.«
»Dann lasst mich erneut die Rolle des Simplicio übernehmen und Euch fragen, ob Ihr dieses Problem gelöst habt.«
»Angenommen, wir benutzen stattdessen diese Kodierung«, sprach der Doktor, griff hinter das Regal und zog eine Schiefertafel hervor, auf der – praktisch ein Eingeständnis, dass das Gespräch bis zu diesem Punkt eine ausgearbeitete Demo war – mit Kreide Folgendes geschrieben stand:
2
Plato
3
Aristoteles
5
Bäume
7
Schildkröten
2×5 = 10
Plato über Bäume
3×7 = 21
Aristoteles über Schildkröten
2×7 = 14
Plato über Schildkröten
3×5 = 15
Aristoteles über Bäume
[etc.]
»Zwei, drei, fünf und sieben – alles Primzahlen«, bemerkte Fatio, nachdem er die Tabelle kurz überflogen hatte. »Die Regalnummern sind zusammengesetzte Zahlen, die Produkte von Primfaktoren. Ausgezeichnet, Doktor! Durch diese kleine Verbesserung – indem Ihr den verschiedenen Themen Primzahlen zugeordnet habt, anstatt einfach abzuzählen – habt Ihr das Problem aus der Welt geschafft. Der Standort jedes Buches lässt sich durch Multiplikation der Themenzahlen auffinden – und man kann versichert sein, dass die so gewonnene Zahl einmalig ist.«
»Es ist ein Vergnügen, das Prinzip jemandem zu erklären, der es so rasch begreift«, sagte Leibniz. »Huygens und die Bernoullis haben Euch hoch gelobt, Fatio, und wie ich sehe, waren sie damit keineswegs unaufrichtig.«
»Es erfüllt mich mit Demut, meinen Namen in einem Satz mit den ihren erwähnt zu hören«, gab Fatio zurück, »aber da Ihr so freundlich wart, mich derart zu beehren, seht Ihr mir vielleicht eine Frage nach.«
»Es wäre mir eine Ehre.«
»Euer Prinzip ist eine gute Methode, eine Bibliothek
Weitere Kostenlose Bücher