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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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dass ganz Ulster, Leinster und Munster jener Farm zwischen Athlone und Tullamore glichen.
    England war in Landstücke unterteilt, deren Besitzverhältnisse eindeutig feststanden. Es glich einer Ziegelsteinmauer, bei der jeder Ziegelstein eine Einheit bildete, die von einer klaren Grenze aus weißem Mörtel eingefasst war. Irland glich einer verputzten Mauer. Jede Generation kam mit einem frischen Trog daher und trug eine neue Lehmputzschicht auf sämtliche vorangegangenen auf, die sofort aushärtete und spröde wurde. Die Besitzverhältnisse waren nicht nur unübersichtlich, sondern bis zur Unkenntlichkeit verworren.
    In Connaught war es angeblich anders, weil sich Connaught den Einfällen der Engländer nicht gebeugt hatte. Aber Connaught hatte seine eigenen Probleme, weil die Iren, die sich nicht unterwerfen lassen wollten, in bewegten Zeiten dorthin flohen und das Land der Iren besetzten, die schon immer dort gelebt hatten.
     
    Die Fechtübungen dauerten viel länger an, als irgendwer eigentlich wollte. Der Krieg setzte sich im Frühjahr 1691 nur zögerlich fort. König Wilhelms Oberbefehlshaber war mittlerweile Baron Godard de Ginkel, auch er Holländer. Sein Ziel war natürlich Connaught, das durch den Shannon und durch die befestigten Städte Limerick, Athlone und Sligo geschützt wurde. Von französischen Pionieren herumkommandierte irische Arbeiter hatten den ganzen Winter über die Schanzwerke dieser Städte ausgebaut. Deshalb brauchte de Ginkel Boote und Pontons, um den Fluss zu überqueren, und Geschütze, um die Befestigungen in Trümmer zu schießen. Das kostete Geld. Das
Parlament hatte davon sehr wenig und knauserte damit gegenüber dem holländischen König, den man bereits gründlich satthatte. Bis Ende Mai tat sich nichts, und das überzeugte Bob und alle anderen davon, dass man sie in Irland sich selbst überlassen und vergessen hatte und dass es ihr Schicksal war, für immer hier festzusitzen und die nächsten Akteure in Geschichten vom Typ Ferbane-Crackington-Good zu werden.
    König Ludwig XIV. von Frankreich tat seinerseits nur wenig, um den Kombattanten das Gefühl zu nehmen, sie seien von der Landkarte der Christenheit verschwunden. Die Schlacht an der Boyne war die Schlacht um Irland gewesen – so glaubte jedenfalls laut einem Brief, den Bob von Eliza bekommen hatte, die gesamte Christenheit, und zwar nicht, weil sie ein besonderes militärisches Gewicht gehabt hätte, sondern weil sich an den Ufern eines Flusses zwei Könige gegenübergestanden hatten und weil einer übergesetzt und der andere ihm den Rücken zugekehrt, Fersengeld gegeben und erst in Frankreich wieder angehalten hatte.
    Während der Schlacht, der die Black Torrent Guards ihren Namen verdankten, hatte Feversham, ihr Kommandant, geschlafen. Wegen seiner Hirnverletzung war er auch im Wachzustand kein Geistesriese. Der eigentliche Befehlshaber war John Churchill gewesen, und das Kämpfen hatten Bob und die anderen Fußsoldaten besorgt. Dennoch hatte Feversham die ganze Anerkennung eingeheimst. Warum? Weil die Sache eine gute Geschichte abgab, vermutete Bob, und weil sich die Leute komplizierte Angelegenheiten nur über Geschichten klarmachen konnten. Für den Krieg um Irland galt das Gleiche: Seit die Könige von der Bühne abgetreten waren, war er keine gute Geschichte mehr.
    So war Bob den ganzen April über in sehr trüber Stimmung. Am neunten Mai erschien eine Schar Segel in der Mündung des Shannon, die Fechtübungen kamen zum Erliegen, und die Schüler von Bobs Fechtakademie versammelten sich still im Schatten des Sinnier-Baums und sahen zu, wie ein französischer Konvoi flussaufwärts auf Limerick zuhielt. Die Schiffe wurden von kleinen Menschenmengen bejubelt, die sich in winzigen, lärmenden Trauben auf der zu Connaught gehörenden Seite versammelt hatten, und von Salutschüssen aus Kanonen auf den Mauern von Limerick begrüßt. Den Männern um Bob herum entging nicht, dass die Salutschüsse in vollem Umfang erwidert wurden (an Pulver mangelte es ihnen nicht), die Jubelrufe
hingegen nicht (es handelte sich um Versorgungsschiffe, nicht um Truppentransporter).
    Monsieur LaMotte zog ein Fernrohr aus seiner Satteltasche, kletterte einen Baum halb hinauf und stellte Beobachtungen an. »Ich sehe die Farben eines Feldmarschalls; das große Schiff dort, das dritte von vorn, befördert den neuen französischen Befehlshaber...« Dann entwich mit einem langen Seufzer sämtliche Luft aus ihm wie aus einem kollabierenden

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