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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Wikinger zurückgefallen waren, zur Strecke gebracht wurden. Seine innigste Hoffnung und seinen schlimmsten Albtraum trennte also nur ein unendlich kleiner Abstand.
    Doch er fand nichts in Athlone außer toten oder sterbenden Iren, die unter sich setzenden Schutthaufen begraben waren. Zum Glück war ein Großteil der Zivilbevölkerung von Athlone bereits nach Connaught
geflüchtet. In der Nähe der Brücke war eine kleine irische Garnison eingeschlossen, die von der dänischen Kavallerie voller Begeisterung abgeschlachtet wurde. Das Gros von St. Ruths Streitmacht nahm jedoch gar nicht am Gefecht teil und blieb wohlbehalten in seinem Lager. De Ginkel verbrachte mehrere Tage damit, seine Armee über den Fluss zu bringen, was bedeutete, dass St. Ruth einen gemächlichen und geordneten Rückzug seiner gesamten Armee ins Innere von Connaught oder gar, wenn er wollte, bis zum Hafen von Galway ins Werk setzen konnte.
    Bob befand sich also im sagenhaften Lande Connaught. Doch nein, es konnte nicht sein; dieser Teil Connaughts war über jene Brücke mit Leinster und dem Rest der verfluchten Insel verbunden, er war ein in das gute hineingewucherter Auswuchs des schlechten, zugrunde gerichteten Irland. Zum Glück war die Stadt von einer Mauer umgeben, die verhinderte, dass sich die ansteckenden Übel der Welt ausbreiteten. Das irische Athlone war bloß eine Pestbeule, in der die Seuche eingeschlossen war.
    Wenn sie Befehl bekamen, durch das Westtor abzumarschieren, würden sie in das wahre Connaught gelangen, von dem Teague Partry während seiner langen, ungemütlichen Wachen auf dem Develin Tower gesungen hatte.
     
    »Es ist Sonntag, der zwölfte Juli Anno Domini 1691«, sagte Hauptmann Barnes hilfreicherweise und schüttelte Bob an der Schulter. »Der Tross ist da; wir rechnen mit einem langen Marsch.«
    Ganz schwaches, rosiges Licht glomm auf dem Taubelag, der sich auf den kalten, fahlen Steinen um ihn herum gebildet hatte. Bob bot all seine Willenskraft auf, um die Augen nicht zu schließen und wieder einzuschlafen.
    Sie befanden sich noch immer in Athlone, wo sie in einem halb zerstörten Wolllagerhaus übernachteten, das an der von der Brücke hügelaufwärts führenden Straße lag. Auf den Quadern dieser Straße knirschten Räder, gezogen von Hunderten von geduldigen Hufen, die einen einschläfernden Trommelwirbel auf den Steinen schlugen.
    De Ginkels Armee war einen Tag zuvor abgerückt, und sie waren zurückgeblieben, um einen Tross von Wagen aus Dublin abzuwarten und dafür zu sorgen, dass er sicher über die Brücke kam. Heute würden sie die Armee einholen und, falls diese sich auf dem Marsch befand, auch noch einen zweiten Marsch bewältigen müssen.

    Wenn jemand ihn und seine Leute umzubringen versuchte (was im Grunde nicht allzu oft vorkam), war es Bobs vordringlichste berufliche Pflicht, darüber nachzudenken. Zu jeder anderen Zeit dachte er an Essen. Vorsichtig suchte er sich einen Weg zwischen schlafenden Männern hindurch bis zu einer Stelle, wo er durch ein Bombenloch in den Hof hinausschauen und sehen konnte, wie orangefarbene Flammen den Hintern von Black Betty, dem erstklassigen Kessel der Kompanie, liebkosten. Vermutlich kochte darin eine Art Haferschleim, in dem gelegentlich Hammelfleischstücke nach oben brodelten und auf dem eine einen Zoll dicke Fettschicht schwamm. Unter anderen Witterungsbedingungen würde Black Bettys Mund eine Dampfwolke entquellen, doch heute war sie von Äonen von Nebel umgeben und eingeschlossen, der sich, scheinbar angezogen von der schwachen Verheißung des rosigen Schimmers über Leinster, von Westen heranwälzte. Falls Black Betty irgendwelchen Dampf von sich gab, so glich er einem Furz in einem Wirbelsturm.
    Bis sich Bob zum Kaffeetopf vorgetastet und sich Hände und Lippen an einem Zinnbecher von Mochas Bestem verbrannt hatte, war das rosige Licht, das ihn zuvor begrüßt hatte, von dem immer dichter werdenden Nebel verschluckt worden. Die Leute, die er im Umhergehen anstieß, damit sie wach wurden, waren sich allesamt sicher, dass es Mitternacht sein musste und nicht Morgengrauen, wie Bob allen Ernstes behauptete.
    Connaught also gab seine Geheimnisse nicht so ohne weiteres preis. Als sie sich, dem gewohnten fürchterlichen Gebrüll der Sergeanten durch die Düsternis nachjagend, in das Regiment einreihten, ging von dem Nebel eine Art tief blaugraues Licht aus: Licht ohne Wärme oder auch nur die Farben, die eine Erinnerung an Wärme weckten. Sie liefen mehrfach auf

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