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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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rollen begonnen, bedachte die Damen mit lüsternen Blicken und strich sich übers Kinn. Unterdessen waren die »Amsterdamer« und die »Londoner«, die hauptsächlich aus jungen Leuten bestanden, unruhig geworden und hatten begonnen, allerlei unautorisierte Transaktionen vorzunehmen.
    »Holt mir einen Eimer Kies«, sagte Eliza zu einer Zofe.
    »Kies, Madame?«
    »Kies von der Auffahrt! Und eine leere Obstschale oder etwas dergleichen. Rasch!« Die Dienerin eilte hinaus. »Alles auf die Plätze! Es beginnt der zweite Akt. Monsieur Le Comte de Pontchartrain, bitte spielt weiter Eure schöne Musik, sie ist ganz und gar passend.« Tatsächlich hatten einige der Gäste, denen keine speziellen Rollen zugewiesen worden waren, begonnen, dazu zu tanzen, sodass »Paris« bereits zu einem Zentrum von Schönheit, Kultur und Romantik geworden war.
    »Ich bin Euer Diener, Madame«, sagte Pontchartrain.
    »Nein, ich bin Merkur. Und ich sage, Ihr habt Kies!«
    »Kies, Merkur?« Pontchartrain blickte sich neugierig um, spielte jedoch weiter.
    »Ihr bekommt ihn natürlich selten zu sehen, und Ihr hantiert niemals damit. Pourquoi non, denn Ihr seid ein Angehöriger des Conseil d’en-Haut und ein getreuer Vertrauter des Sonnenkönigs. Aber Ihr wisst, dass Ihr Kies habt!«
    »Woher weiß ich das, Merkur?«
    »Weil ich es Euch ins Ohr geflüstert habe. Ihr habt hundert Flussbetten, in denen er vorkommt. Nun ruft Monsieur Bernard auf Eure Seite und sagt es ihm.«
    Monsieur Bernard musste nicht gerufen werden. Auf sein Queue gestützt, kam er herübergehinkt – denn er hatte seine Rolle als Jude inzwischen perfektioniert – und beugte sich händereibend dicht an Pontchartrain heran.
    »Monsieur Bernard! Ich habe Kies.«
    »Ich glaube es, Monseigneur.«
    »Ich hätte gern, äh, hundert Häuflein rasch und sicher in die Hände von Monsieur Dubois in London transferiert.«
    »Halt!«, befahl Merkur, »die Identität Eures Zahlungsempfängers in London kennt Ihr noch nicht.«
    »Na schön – fertigt den Wechsel auf einen meiner Agenten aus, den ich später festlegen werde.«

    »Es soll geschehen, Monsieur!«, verkündete »Bernard« und schaute in Erwartung seines Stichworts grinsend zu Eliza auf.
    »Geht und sagt es Eurem Freund«, sagte Eliza.
    » Bekomme ich denn nichts?«
    »Monsieur! Ihr habt das Wort des contrôleur-général von Frankreich bekommen ! Was könnt Ihr mehr verlangen?«
    »Ich habe bloß gefragt«, sagte »Bernard« ein wenig eingeschnappt und schlich durch den Petit Salon nach »Lyon«, wo sein Billardpartner wartete. » Mon vieux, bonjour. Monsieur le Comte de Pontchartrain hat Kies und möchte hundert Häuflein davon in London haben.«
    »Schön«, sagte »Castan«, nachdem Merkur ihm sotto voce souffliert hatte. »Lothar, wenn Ihr Eurem Mann in London hundert Häuflein zukommen lasst, werde ich Euch hier hundertzehn Häuflein geben.«
    »Gütiger Himmel! Wo ist denn dieser Kies?«, wollte Étienne wissen – leicht verwirrt, denn beim ersten Durchlauf hatte er richtiges Silber bekommen.
    »Im Augenblick habe ich gerade keinen«, sagte »Castan«, der etwas rascher als Étienne begriffen hatte, worauf das Ganze hinauslief, »aber mein Freund Monsieur Bernard hat von Monsieur le Comte de Pontchartrain, der es wiederum von Merkur hat, gehört, dass es reichlich Kies gibt, weshalb ich angesichts all dieser braven Lyoner...«
    »Wir nennen sie le Dépôt«, warf Eliza ein und deutete auf mehrere Personen, die sich um den Bassett-Tisch versammelt hatten, um zuzusehen.
    »...sage, dass ich Euch in allernächster Zeit hundertzehn Häuflein bezahle.«
    »Sehr schön«, sagte »Lothar«, nachdem er um Erlaubnis heischend zu Eliza aufgeblickt hatte.
    Nun verging einige Zeit mit dem Aufsetzen der notwendigen Papiere. Unterdessen war Eliza mit beiden Händen in ein Häufchen Kies gefahren, das eine Zofe von draußen hereingebracht hatte, und hatte es in zwei Häufchen, ein kleineres und ein größeres, aufgeteilt. Das kleinere gab sie in eine leere Obstschale, die sie in den Grand Salon trug und zur Verblüffung von Madame de Bearsul auf einer vergoldeten Anrichte in der Nähe des Backgammontisches abstellte. »Teilt dies in zwei gleich große Häufchen, und teilt diese dann immer weiter, bis Ihr zweiunddreißig Häufchen habt«, verfügte »Merkur« und stürmte davon, ehe die de Bearsul schmollen oder jammern konnte. Eliza holte den Eimer, der die größere Menge Kies enthielt, und drückte ihn dem
jüngeren Bankier in die

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