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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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im Schmelzofen auf dem Bergwerksgelände verflüssigte Erz in einen Lehmtrog gegossen wird.« Hier hätte Jack gerne in einiger Ausführlichkeit über die Silberhütten im Harz berichtet, die er einst besucht und sich von dem Alchimisten Enoch Root hatte erklären lassen. Wie es schien hatten seine Kameraden jedoch schon viele dieser Einzelheiten aus seinem eigenen Mund gehört, und so ging er zu dem über, was er für den springenden Punkt in Jeronimos Geschichte hielt. »Schweine sind genaugenommen eine Übergangsform, die nur einem Zweck dient, nämlich dem, auf direktem Weg in die Silberhütte zu wandern, wo man sie umschmilzt, reinigt und in Barren gießt, die dann geprüft und gestempelt werden – und hier schöpft der König normalerweise seinen Anteil ab...«
    »In Neuspanien sind es zehn Prozent für den König und ein Prozent für die allgemeinen Unkosten, das heißt Prüfer und andere kleine Beamte dieser Art«, schob Jeronimo ein.
    »Und so war die Anwesenheit von Schweinen an Bord dieses Schiffes der untrügliche Beweis dafür, dass hier Silber nach Spanien geschmuggelt werden sollte.«
    »Ausnahmsweise hat der Landstreicher wahrheitsgetreu und sachlich gesprochen«, sagte Jeronimo. »Und ihr werdet nie erraten, wen wir in der besten Kabine des Schiffs entdeckten: die Frau des Vizekönigs, die sich immer noch an mich erinnerte. Sie war auf dem Heimweg nach Madrid, um dort einen Einkaufsbummel zu machen.«
    »Was hast du zu ihr gesagt?«
    »Daran erinnere ich mich lieber nicht. Da ich wusste, dass sie ihrem Gatten in La Ciudad de México einen vollständigen Bericht dieser Ereignisse liefern würde, schrieb ich unverzüglich selbst einen Brief an den Vizekönig, in dem ich ihm die Vorkommnisse schilderte – aber indirekt, für den Fall, dass der Brief abgefangen würde. Ich versicherte ihm, sein Geheimnis sei bei mir gut aufgehoben, denn ich sei ein Caballero, ein Mann von Ehre, und er könne sich auf meine Diskretion verlassen; meine Lippen, sagte ich ihm, seien für immer versiegelt.«
    Auf dem Dach des Banyolar entstand jetzt eine lange, etwas qualvolle Stille.
    »Ein paar Monate später erhielt ich eine Nachricht von ebendiesem Vizekönig, in der er mich einlud, bei meinem nächsten Besuch in Veracruz zum Haus des Gouverneurs zu gehen und dort ein Geschenk für mich in Empfang zu nehmen.«
    »Ein hübsches neues Halseisen?«

    »Eine Pistolenkugel zur Verzierung deines Genicks?«
    »Ein Zeremonialschwert, mit der Spitze voraus überreicht?«
    »Keine Ahnung«, entgegnete Jeronimo leicht gereizt, »ich habe das Haus des Gobernador ja nie erreicht. Dabei muss ich vorausschicken, dass der eigentliche Zweck unseres Besuchs in Veracruz darin bestand, eine Schiffsladung Handfeuerwaffen von einem Händler zu übernehmen, den ich zufällig dort kennen gelernt hatte – einem Burschen mit einem besonderen Geschick dafür, die Waffen des Königs in die Hand zu bekommen, bevor sie zu dessen Soldaten gelangten. Mit ein paar gemieteten Wagen erledigten einige meiner Männer und ich zuerst diese Besorgung und wiesen dann die Fuhrleute an, uns auf dem direktesten Weg zum Haus des Gouverneurs zu bringen, da wir selbst für neuspanische Verhältnisse schon spät dran waren. Ich hatte meine vornehmsten Kleider an.
    Wir erreichten den zentralen Platz von Veracruz aus einer Richtung, die sie nicht erwartet hatten, denn statt die Hauptstraße mit ihren zugenagelten Häusern hochzufahren, waren wir von dem Lagerhaus des Waffenhändlers gekommen, das auf der anderen Seite der Stadt lag. Den ersten Hinweis, dass irgendetwas nicht stimmte, lieferten uns die zahllosen feinen Rauchfäden, die an verschiedenen verborgenen Stellen rund um den Platz spiralförmig aufstiegen...«
    »Luntenschlossmusketen!«, sagte Jack.
    »Natürlich waren unsere Pistolen geladen und schussbereit, wir befanden uns ja schließlich in Veracruz. Aber jetzt war klar, dass wir auch die Musketen schussbereit machen und die Deckel von einigen der mit Granaten gefüllten Kisten abschlagen mussten. Die Männer mit den Luntenschlossmusketen eröffneten das Feuer auf uns, aber unregelmäßig Wir griffen sie mit gezogenen Entermessern an, denn wir hatten vor, sie zu töten, bevor sie nachladen konnten. Was wir auch taten – aber dabei stellten wir mit Erstaunen fest, dass dies spanische Soldaten der hier in Garnison liegenden Kompanie waren! In dem Augenblick wurden wir von überall um uns herum mit Feuer belegt: Die Fenster des Gouverneurshauses dienten,

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