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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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hören, die gerade geschändet wurden – die einzigen Laute, die je von ihren Lippen an mein Ohr gedrungen waren.
    El Torbellino und ich waren mit allem Notwendigen bewaffnet, was zwei Edelleute normalerweise mitnehmen, wenn sie zu einer langen Jagd auf den Werjaguar in den gefräßigen und alles zerstörenden Dschungel von Darién aufbrechen, und das Moment der Überraschung konnten wir uns auch zunutze machen; zudem hatten wir Gott auf unserer Seite und waren sehr, sehr wütend. Und dennoch hätten diese Vorteile, zumindest was mich betrifft, ins Leere gehen können, denn ich war alles andere als kampferprobt. Und es ist ja allgemein bekannt, dass unter den jungen Männern die Zahl derer groß ist, die den Kopf voller romantischer Vorstellungen haben und davon träumen, ruhmreich aus einer Schlacht hervorzugehen – die aber, wenn
sie den ganzen Schrecken, die Verwirrung und das Blutvergießen eines echten Kampfes am eigenen Leib erfahren, wie gelähmt dastehen oder ihre Waffen hinwerfen und sich aus dem Staub machen.
    Es erwies sich, dass ich nicht zu jenen gehörte. El Torbellino und ich stürmten aus dem Dschungel und fielen wie zwei tollwütige Werjaguare über eine Schafherde über diese betrunkenen Bukaniere her. Die Heftigkeit unseres Angriffs war überwältigend. El Torbellino tötete natürlich mehr als ich, aber manch ein Inglés bekam an diesem Tag meine Klinge zu spüren, und, um eine sehr unangenehme Geschichte kurz zu machen, die überlebenden Nonnen brachten schubkarrenweise Gedärme in den Dschungel, um sie den Kondoren zum Fraß zu überlassen.
    Da wir wussten, dass dies nur ein Vortrupp gewesen war, richteten wir unsere ganze Energie darauf, das Kloster zu befestigen und den Nonnen beizubringen, wie man Luntenschlossmusketen lädt und abfeuert. Als das Hauptkontingent eintraf – mehrere Hundert von Käpt’n Morgans rumgetränkten Irregulären – bereiteten wir ihnen einen warmen spanischen Empfang und dekorierten, bevor sie unsere Befestigung durchbrachen, den Hof mit einer erklecklichen Zahl von Leichen. Danach kam es zum Kampf Mann gegen Mann. El Torbellino starb, auf dreizehn Klingen aufgespießt, auf der Schwelle zur Krankenstube, und ich kämpfte noch eine Weile weiter, obwohl ich mit einem Musketenkolben einen Schlag gegen den Kiefer bekommen hatte. Der Anführer, der vor dem Kloster geblieben war, befahl seinen Leuten, sich zurückzuziehen und neu aufzustellen. Bevor sie aber von neuem angreifen konnten – was sicherlich mein Ende bedeutet hätte -, erhielt er Nachricht von Käpt’n Morgan, dass ein anderer Weg über die Berge gefunden worden war und dass er sich absetzen und diesen Weg einschlagen sollte. Da letztlich mehr Gewinn und weniger Gefahr darin lag, eine reiche, von Feiglingen verteidigte Stadt zu erstürmen als ein bescheidenes Nonnenkloster, das von einem einzigen Mann verteidigt wurde, der einen ruhmreichen Tod nicht fürchtete, ließen die Piraten von uns ab.
    So wurde nach Portobello schließlich auch Panama geplündert und zerstört. Trotzdem – oder gerade deswegen – sorgte die Geschichte darüber, wie El Torbellino und ich das Nonnenkloster verteidigt hatten, in Lima und La Ciudad de México für eine Sensation und ich wurde zu einem großen Helden erkoren – vielleicht dem einzigen Helden der ganzen Episode, denn das Verdienst derer, die mit der Verteidigung
von Panama betraut worden waren, war zu dürftig, als dass man in feiner Gesellschaft darüber hätte berichten können.
    Ich wusste davon nichts, denn ich war schwer krank geworden, zum einen als Folge meiner Verwundungen, aber auch durch verschiedene tropische Krankheiten, die ich mir bei unserer Jagd auf den Werjaguar zugezogen hatte und die erst jetzt ihren Höhepunkt erreichten. Trotz der großen Aderlässe und vulkanartigen Darmentleerungen, die mir jeden Tag von Ärzten verordnet wurden, die in der Zeit nach den beschriebenen Kämpfen in das Kloster kamen, verlor ich das Bewusstsein. Als ich das nächste Mal meiner Umgebung gewahr wurde, befand ich mich auf einer Galeone, die am Bahía de Campeche entlangsegelte und Kurs auf Veracruz nahm, den für La Ciudad de México am günstigsten gelegenen Seehafen, was selbst Bauerntölpeln wie euch bekannt sein dürfte. Ich bekam den Mund nicht auf. Ein Jesuitenarzt erklärte mir, durch den Schlag mit dem Musketenkolben sei mein Kieferknochen gebrochen, und man habe mir einen engen Verband um den Kopf angelegt, um meinen Kiefer geschlossen und alles am

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