Confusion
aufs Meer hinausgezogen wird. In einer Kajüte verbarrikadiert und ein Schicksal vor Augen, das schlimmer ist als der Tod, wirst du von einem mysteriösen einarmigen Riesen, der sich an einem Tau durchs Fenster hereingeschwungen hat, gepackt und ins Meer geschleudert. Wie reagierst du? A) Du strampelst sinnlos herum, bis du untergehst und ertrinkst. B) Du schreist, bis jemand dich rettet. C) Du paddelst zum nächsten auf dem Wasser treibenden Gegenstand und wartest ruhig ab, bis deine Herrin das Problem gelöst hat.
Eliza hatte beizeiten vermutet, dass der Einarmige eine Art Gottesgeschenk sein könnte, und mittlerweile war sie davon überzeugt. Sie raffte ihren Rock, schob ein Bein unter das Bett, bekam mit der Spitze ihres Pantoffels den Griff der Tasche zu fassen und zog sie hervor. Sie wandte sich dem offenen Fenster zu, hielt ein paar Augenblicke inne, um ihren Atem auf die Dünung abzustimmen; dann warf sie die Tasche hinaus, die genau in der Mitte des Ruderbootes landete. Darauf
drehte sie sich um. Dreschflegel-Arm, so schien es, hatte seinen Blick auf Brigitte gerichtet, und seine Miene schien zu sagen: » Euch gedenke ich als Nächste hinauszuwerfen, Mademoiselle.« Sie jedoch hatte die Ehre abgelehnt. Nun versuchte er, einen Arm um ihre Taille (eine künstliche, Schnürbändern und Fischbein geschuldete Verjüngung von Brigittes Körpermitte) zu schlingen. Wenige Männer waren groß, stark und verwegen genug, Brigitte zu packen und zu werfen, wenn sie keine Lust dazu hatte. Dieser Mensch war es vor dem Verlust seines Arms gewesen. Wie die Dinge lagen, waren die beiden einander ebenbürtig, sofern er sich nicht entschloss, sie zuerst mit dem schrecklichen Dreschflegel besinnungslos zu schlagen. Und das gedachte er offenbar nicht zu tun; obwohl er sichtlich in Versuchung war, meinte Eliza eine gewisse Zärtlichkeit in seinem Blick wahrzunehmen. Und so tobte in der Kajüte ein grässlicher, ungelenker, lauter Kampf, welcher der Inneneinrichtung nicht weniger abträglich war als der Würde der Beteiligten.
»Brigitte!«, rief Eliza in einem Augenblick, da der Einarmige über seinen Dreschflegel gestolpert war und sich langsam aufrappelte. Brigitte hob ihren heißen Blick von dem Eindringling und sah Eliza von der Fensteröffnung gerahmt. »Du kannst hierbleiben und mit ihm kokettieren, so viel du willst, oder meinetwegen auch mit ihm ins Bett gehen! Aber ich gehe jetzt und erwarte dich unten.« Und damit verschwand sie aus Brigittes Sicht.
Sie stieß unwillkürlich einen Schrei aus, kurz bevor sie aufs Wasser auftraf. Dann verschlug es ihr ob der Kälte einen Moment lang den Atem; doch gleich darauf begann sie, so gut es ging, auf das winzige Boot zuzupaddeln. Sie tat dies teilweise im Gedanken an die Einstellungsgesprächsfrage und teilweise aus Angst, Brigitte und Monsieur Dreschflegel-Arm könnten ihr jeden Moment auf den Kopf fallen. Ein zweimaliges kräftiges Platschen hinter ihr bestätigte, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Vier triefnasse femmes an Bord eines so kleinen Bootes zu hieven war keine leichte Aufgabe. Dreschflegel-Arm hatte, sobald er ins Wasser gesprungen war, einen weiteren scharfen Gegenstand hervorgezaubert und die Leine durchtrennt, die das Ruderboot mit der Météore verband, sodass sich die Lücke zwischen den beiden zu verbreitern begann. Eliza blickte nur einmal zu ihrer gestohlenen Jacht auf. Sie sah englische Seesoldaten an der Reling des Poopdecks und englische Marinesoldaten an den Fenstern ihrer Kajüte (denn sie hatten Brigittes
Improvisationen schließlich überwunden). Einer von ihnen besaß die Ungezogenheit, mit einer Pistole auf Dreschflegel-Arm zu zielen. Doch genau in diesem Moment tat es nicht weit weg einen Schlag, und etwas heulte über ihre Köpfe hinweg und riss zwei Pfund Eichenholz aus der Reling. Die Marinesoldaten sprangen zurück, einige warfen sich auf das Deck. Eliza folgte Dreschflegel-Arms verblüfftem Blick über das Wasser und erspähte ein Boot, das unter vollen Segeln rasch näher kam.
Eliza war kein großer Aficionado von Schiffstypen und hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, jedes Gespräch zu verlassen, bei dem Männer in eine Fachsimpelei über Schiffe abglitten und dabei hängen blieben. Dieses Schiff aber schätzte sie mit einem Blick auf achtzig Fuß Länge. Es hatte kein Heckwerk und keine Aufbauten, zwei Masten und Lugger-Besegelung. In Holland hätte es vielleicht unter dem Namen galjoot firmiert. Jedenfalls war es ein
Weitere Kostenlose Bücher