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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Küstenhandelsschiff, in der Lage, den Kanal zu überqueren und offenbar mit mindestens einem Drehgeschütz bewaffnet. Der Schuss, den es auf die englischen Seesoldaten abgegeben hatte, war hauptsächlich um des Effektes willen erfolgt. Niemals hätte dieses kleine Schmugglerboot die Météore herausfordern können, wäre die Météore unter Segeln und richtig bemannt gewesen; doch wie die Dinge lagen, konnte die galjoot mit ihren Drehgeschützen so viel Schaden anrichten, dass die Engländer es sich zwei Mal überlegen würden, ehe sie sich in voller Sicht hinstellten und aufs Geratewohl auf über Bord Gegangene schossen. Eliza hatte das Boot vor ein paar Minuten erspäht und gehofft, es wäre das, das sie gemietet hatte; dies bestätigte sich. Es machte keine Anstalten, die Météore zu verfolgen, sondern fiel ab, um sich wie eine Schutzwehr zwischen die Météore und das Ruderboot zu schieben, und ließ dann seine Segel erschlaffen. Die Arbalète (denn das war der auf ihren Bug gemalte Name) näherte sich mit einer merkwürdigen Mischung aus Barmherzigkeit und Feindseligkeit, denn sie warf einerseits Leinen aus, welche die Damen aus der Luft greifen oder aus dem Wasser fischen konnten, und hielt andererseits geladene Musketen bereit. Das Einzige an den Vorgängen dieses Vormittags, was zu erwarten man die Besatzung veranlasst hatte, war, dass sie in der unmittelbaren Umgebung der Météore möglicherweise einen anonymen Passagier würde aufnehmen müssen. Alles andere – der Angriff der englischen Barkassen, das Erscheinen der brennenden Soleil Royal und Dreschflegel-Arm mit seinem Ruderboot – war unerwartet gekommen.
Eliza fürchtete bereits die Neuverhandlung des Abkommens, die ihr wahrscheinlich mit dem Kapitän der Arbalète bevorstand. Dass diese sich überhaupt so weit in das Getümmel gewagt hatte, war vermutlich einzig und allein einem Menschen zuzuschreiben, der mit einer Muskete mittschiffs stand: Bob Shaftoe.
    »Alles ist gut, Sergeant Bob. Nein, ich weiß nicht, wer er ist. Er ist stumm oder so etwas. Aber er ist offenbar wohlmeinend. Das Schlimmste, was ich von ihm sagen kann, ist, dass er in seinen Methoden direkter ist, als man es in Versailles für schicklich erachten würde.«
    »Ich habe ihn in der Hafengegend beobachtet, wie er die Météore ausspionierte«, lautete Bobs Antwort.
    »Ich auch, nun da Ihr es erwähnt«, sagte Eliza, »aber da es mir an Eurem Scharfblick fehlt, Sir, konnte ich nicht ausmachen, ob er spionierte oder lediglich seine Neugier befriedigte.«
    »Vielleicht sind es schöne Herzoginnen eher gewöhnt, stundenlang ununterbrochen angestarrt zu werden, als ramponierte Sergeanten«, sagte Bob. »Für mich sah es nach Spionage aus.«
    »Und vielleicht war es das auch, Sergeant Bob; doch heute Morgen war er einer Bootsladung Frauen zu Diensten.«
    »Geht es nur um Euch oder um die gesamte Bootsladung?«, erkundigte sich ungläubig Monsieur Rigaud, Kapitän der Arbalète. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ihn ganz und gar – und für einen Schiffskapitän war das noch schrecklicher als für jeden anderen Menschen – das Gespenst der Soleil Royal in Anspruch genommen, die an ihnen vorbeitrieb, während aus ihren hundert Stückpforten Flammenzungen leckten. Rigaud schien endlich zu der Überzeugung gekommen zu sein, dass die Engländer die Schießpulvervorräte aus dem Schiff herausgeholt hatten, ehe sie es in Brand steckten – das heißt sie wollten, dass es lange Zeit brannte, ein denkwürdiges Schauspiel für die Bürgerschaft von Cherbourg abgab und vielleicht noch ein paar andere Schiffe in Brand setzte und nicht einfach in die Luft flog. Wenn er recht hatte, dann war die Gefahr für die Arbalète vorbei, denn das Flaggschiff war eindeutig an ihr vorbeigetrieben. Dementsprechend hatte er seine Aufmerksamkeit einer fast ebenso grässlichen Bedrohung zugewandt: einem Ansturm weiblicher Passagiere.
    »Nur um mich«, sagte Eliza und schleuderte ihre Tasche nach Rigauds Kopf.
    Das war den anderen Frauen neu und rief entsetztes Nach-Luft-Schnappen
und spitze Schreie hervor. Eliza erwog, den Versuch zu machen, die Dinge zu erklären. Mami muss nach England und drei Tonnen Silber stehlen. Stattdessen langte sie nach oben – denn das Ruderboot scheuerte am Rumpf der Arbalète – und ließ sich von Bob an der einen und von einem französischen Matrosen an der anderen Hand packen. Ihre Füße hoben sich von den Planken. Sie wurde wie ein Ballen Seide an Bord der Arbaléte gehievt.

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