Confusion
doch die Logik erschien ihr so einleuchtend,
als hätte Leibniz sie auf einer Buchseite dargelegt: Wegen der Küstenbatterien konnten die Engländer ihre Schiffe nicht über einen bestimmten Punkt hinaus ans Ufer vorschieben. Tourville konnte, was von der französischen Flotte übrig – und mittlerweile drei- bis vierfach unterlegen – war, nicht vom Ankerplatz auslaufen lassen. Und so befand sich zwischen den Engländern und den Franzosen ein Niemandsland, in dem sich alsbald ein dunkles Gewimmel von Barkassen entwickelte, die von sämtlichen englisch-holländischen Schiffen zu Wasser gelassen wurden. Außerstande, auf dem beengten Ankerplatz zu manövrieren oder auch nur den Anker zu lichten, konnten die Besatzungen der französischen Schiffe nur an Deck stehen und darauf warten, Enterkommandos zurückzuschlagen.
Die Arbalète, die unter diesen Umständen als unbedeutendes Schmugglerboot übersehen werden konnte, hielt nun genauen Nordkurs, fädelte sich zwischen zwei zurückhängenden englischen Kriegsschiffen hindurch und setzte zum Sprint auf Portsmouth an. Ehe der Ankerplatz bei La Hougue achtern dem Blick entschwand, sahen sie einen Lichtfunken davon emporschweben. Die Verbrennung der französischen Flotte hatte begonnen. Die Menschen an Bord der Arbalète konnten dem Schauspiel wenigstens den Rücken zukehren und davor fliehen. In einer weniger glücklichen Lage befand sich, wie Eliza wusste, James Stuart, der in einem königlichen Zelt auf einem Hügel oberhalb von La Hougue kampierte. Er würde die ganze Sache mit ansehen müssen. Sosehr Eliza den Menschen und seine Regentschaft auch verabscheute, konnte sie doch nicht umhin, Mitleid für ihn zu empfinden: dereinst, während des Commonwealth, in Mädchenkleidern aus England verjagt, hatte er sich während der Glorreichen Revolution zum zweiten Mal eine blutige Nase geholt; Verlierer der Schlacht an der Boyne; aus Irland verjagt; und nun das. Während sie sich alle diese Erfreulichkeiten durch den Kopf gehen ließ, meldete sich Bob Shaftoe mit seinen Überlegungen zum Thema amputierte Gliedmaßen zu Wort; was ein stimmiges Bild von der Atmosphäre an Bord der Arbalète auf der Überfahrt nach England liefert.
»Ich habe zu meiner Zeit insgesamt zu viele Männer gesehen, da ich mein Leben nun einmal in Vagabundenlagern und Regimentsquartieren zugebracht habe. Deshalb könnte es sein, dass mein Gedächtnis überfüllt ist und mir nun Streiche spielt. Trotzdem glaube ich, dass ich den Mann schon einmal gesehen habe«, sagte Bob.
»Dreschflegel-Arm? Ihr habt erwähnt, dass Ihr ihn in Cherbourg beim Spionieren oder Gaffen gesehen habt.«
»Richtig, doch schon beim ersten Mal, als ich ihn dort gesehen habe, bildete ich mir ein, ich hätte sein Gesicht schon woanders gesehen.«
»Wenn er mir dort nachspioniert hat, dann hat er das vielleicht auch schon in St. Malo getan, und Ihr habt ihn bei einem Eurer Besuche dort bemerkt«, sagte Eliza und bereute sofort, dass sie das Thema angeschnitten hatte; denn ihre Eingeweide waren in Aufruhr, sie hatte mehr Zeit auf der Pütz verbracht als alle anderen zusammengenommen, und Bob hatte sich jede Äußerung dazu sichtlich verkniffen, sondern sie nur wissend angeblickt. Es war Spätnachmittag. Am nordwestlichen Himmel sank die Sonne herab, verwandelte England im Vordergrund in ein Gewirr schwarzer Klumpen und tauchte Bobs Gesicht in goldenes Licht.
»Ich hatte mir eigentlich eingebildet, ich würde wieder zurückfahren.«
»Ihr meint, morgen zurück in die Normandie? Aber habt Ihr Euch nicht unerlaubt von Eurem irischen Regiment entfernt? Würdet Ihr dafür nicht ausgepeitscht oder so etwas?«
»Ich habe unter einem Vorwand Urlaub genommen. Noch wäre es nicht zu spät.«
»Aber es hört sich so an, als hättet Ihr Zweifel.«
»Je näher wir England kommen, desto besser passt mir das. Ich bin aus verschiedenen Gründen nach Frankreich gegangen, und keiner hat sich als stichhaltig erwiesen.«
»Ihr habt gehofft, es brächte Euch in Reichweite von Abigail.«
»Richtig. Stattdessen saß ich fast ein halbes Jahr in Brest und danach drei Monate in Cherbourg fest. Frankreich zu dienen hat mich Paris demnach nicht näher gebracht, als wenn ich in London postiert gewesen wäre. Wer weiß, wo sie uns als Nächstes hinschicken?«
»Wenn das, was ich gehört habe, irgendetwas zu bedeuten hat«, sagte Eliza, »wird es diesen Sommer in den Spanischen Niederlanden sehr heftige Kämpfe geben. Wahrscheinlich wird jetzt
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