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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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»Liebste Brigitte«, rief sie, »ich hoffe, du wirst mir eines Tages verzeihen, dass ich dich jetzt zum Dienst als galérienne presse. Aber ihr müsst ans Ufer gelangen, ehe die Sache noch schlimmer wird; und dieser Mann, fürchte ich...«
    »Rudert im Kreis. Das ist mir auch schon aufgefallen, Madame.« Brigitte griff nach den Rudern.
    »Wir werden unsere Drehgeschütze geladen lassen und Euch Deckung geben, bis Ihr am Ufer seid«, erklärte Monsieur Rigaud, der nun, da sich das Ruderboot voller Frauen von der Arbalète entfernte, deutlich mehr Nachgiebigkeit zeigte.
    »Schickt ein Schreiben an Kapitän Bart in Dünkirchen«, rief Eliza.
    »Was soll darin stehen, Madame?«
    »Dass es doch noch passiert.«
     
    »Eine Amputation ist eine heikle Geschichte«, bemerkte Bob Shaftoe ein paar Stunden später. Er trug schon eine Zeitlang jene Miene zur Schau, die Eliza verriet, dass er über irgendetwas nachgrübelte und dass, sobald er Lust verspürte, den Mund aufzumachen, mit genau so einer makabren Bemerkung zu rechnen war. »Man ist bemüht, um jeden Preis den Ellbogen oder das Knie zu erhalten, denn dieser zusätzliche Grad von Gelenkigkeit des Stumpfes macht einen gewaltigen Unterschied. Bei einer unterhalb des Ellbogens vorgenommenen Amputation ist die Hand fort, und mit ihr die Fähigkeit zu spüren, zuzupacken, zu liebkosen. Doch der Ellbogen ist noch da und auch die Sehnen, dank deren er funktioniert. Den Arm in einen Dreschflegel zu verwandeln – eine ganze Abfolge von Gelenkfügungen, fühllos, nicht zupackend und dennoch funktionsfähig – ja, einen Dreschflegel an einen Armstumpf zu setzen ist in gewisser Weise absolut passend.«
    »Erinnert mich daran, Euch später nach Euren Gedanken zum Bauchaufschlitzen zu befragen«, sagte Eliza und bereute es sofort, denn ihr war schon übel. Mittlerweile waren sie draußen auf dem Kanal, der Wind hatte aufgefrischt, und sie war in Mantel, Kapuze und
Decken gehüllt wie eine Frau aus einem Wüstenland – einem sehr kalten Wüstenland.
    Bob sah sie schief an. »Ich habe heute Morgen schon reichlich derartige Gedanken gehabt und sie Euch vorenthalten.« Er spielte auf die Szenen an, die sie alle vom Deck der Arbalète aus gesehen hatten, während sie entlang der Spitze des Cotentin – jenem Armstumpf, den Frankreich England entgegenstreckte – Richtung Ost-Nordost gesegelt waren. In der ersten Stunde hatten sie Cherbourg und die Gewässer nördlich davon im Blick gehabt, die ganz allmählich sichtbar geworden waren, während die letzten Spuren des viertägigen Nebels sich in klare Luft aufgelöst hatten. Dort lag ein Großteil der englisch-holländischen Flotte. Die Verbrennung der Soleil Royal und der Angriff der Barkassen auf den Hafen von Cherbourg waren nur Teilaspekte einer größer angelegten Operation, die sie besser begriffen, während sie sich davon entfernten. Die Engländer und Holländer hatten ein paar Schiffe von der französischen Flotte abgeschnitten und machten sich an die langweilige und wenig ritterliche Arbeit, das Meer von ihnen zu säubern, das heißt ihnen genügend Kanonenkugeln in den Rumpf zu schießen, um sie zu versenken oder außer Gefecht zu setzen, ehe sie sich unter den Schutz der Küstenbatterien begeben konnten. Als Cherbourg dem Blickfeld der Arbalète entschwunden war, stand der Ausgang der Sache nicht mehr groß in Frage: Dieser Überrest der französischen Flotte würde, falls er Cherbourg überhaupt erreichte, nie wieder segeln. Nicht lange danach hatte die Arbalète die Landspitze von Barfleur umfahren, was sie in Sichtweite einer riesigen, fünfzehn Meilen breiten und fünf Meilen tiefen Bucht brachte, die wie ein Daumenabdruck in die Ostseite des Cotentin gepresst war. Dort, im Schutz der Halbinsel, hatte sich der größte Teil der Invasionsschiffe versammelt, um Soldaten und Material aus den großen Biwaks um La Hougue aufzunehmen. Außerdem hatte dort, wie sie nun feststellten, Admiral Tourville mit etwa zwei Dutzend seiner Schiffe Zuflucht gesucht. Nun, da sich der Nebel gelichtet hatte, hatte sich der größte Teil der englisch-holländischen Flotte vor La Hougue formiert und hielt auf Tourville zu, um ihm den Rest zu geben; und da der eigentliche Ankerplatz von Küstenbatterien geschützt wurde, hieß das erneut Barkassenarbeit. Was der Météore am Morgen widerfahren war, gab mit anderen Worten das Muster dafür ab, was demnächst mit Tourvilles Flotte passieren würde. Eliza verstand zwar wenig von Seekriegstaktik,

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