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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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irgendwie bildete sie sich ein, eine Handvoll fehlgegangener Schrot habe die Météore getroffen. Sie ließ die Tasche auf den Boden fallen, stieß sie mit dem Fuß unter ihr Bett, ging dann zur Tür und entriegelte sie. Es war Brigitte, ihre Hofdame.
    »Monsieur d’Ascot bittet darum, empfangen zu werden, Madame.«
    »Ein bisschen früh.«
    »Trotzdem ist er da.«
    »Ein paar Minuten, während ich mich präsentabel mache.«
    »Soll ich Euch helfen?«
    »Nein, denn in Wirklichkeit mache ich mich gar nicht präsentabel. Ich lasse ihn warten, weil ich es kann, weil es erwartet wird und weil er dafür, dass er so früh kommt, Strafe verdient.«
     
    »Verzeiht mir, Madame, dass ich Euren Vormittag gestört habe«, sagte William, Viscount Ascot, in einem Französisch, das sich so anhörte, als hätte er es beim Warten geübt. Eliza dachte daran, ihn zu bitten, Englisch zu sprechen, aber das hätte er wahrscheinlich als Beleidigung aufgefasst. »Man hat mich gebeten, Euch über allfällige Neuigkeiten, die Invasion betreffend, auf dem Laufenden zu halten.«
    Das bedeutete mehrere Dinge. Erstens musste es ungeachtet dessen, dass James Stuart aufgetaucht war, nach wie vor jemand Kompetenten geben, der das Kommando innehatte und dafür sorgte, dass Informationen die Befehlskette hinauf- und hinuntergelangten. Zweitens musste der vor ihr Stehende, Ascot, einer der Agenten sein, welche die Wechsel nach London bringen sollten. Drittens würde es dazu nicht kommen; denn wenn Ascot und die anderen vier Agenten es heute hätten tun wollen, wären alle fünf schon im Morgengrauen aufgetaucht und würden bereits, jeder mit einem Wechsel in der Brusttasche, in getrennten Booten über den Kanal ausschwärmen.
    »Die Zeit wird sehr knapp«, bemerkte Eliza. »Die Wechsel müssen in drei Tagen in London vorgelegt werden. Sie müssen heute auf den Weg gebracht werden, sonst kann ich sie ebensogut zerreißen.«
    »Ja, Madame«, sagte Ascot. »Der König und der Kronrat sind sich dessen bewusst.« Er sprach von James Stuart und seiner Claque. Wie um dies zu unterstreichen, schaute er zum Fenster hinaus nach Cherbourg. Irgendwo in der Stadt, auf irgendeinem Kirchturm, mussten
Signalgeber postiert sein, die jederzeit Flaggen hissen konnten, wenn vom Hauptquartier in La Hougue Nachrichten eingingen. »Der Nebel lichtet sich!«, rief er aus. »Als ich mich eben auf dem Oberdeck erging, Madame, konnte ich ein, zwei Meilen weit aufs Meer hinaussehen.«
    »Und was habt Ihr beobachtet, Monsieur?«
    »Einlaufende Boote, Madame.«
    »Unter Segeln oder...«
    »Nein, denn es kommt gerade erst Wind auf. Es sind Barkassen, mit Seeleuten, die sich kräftig in die Riemen legen. Einige haben ein beschädigtes Schiff im Schlepptau – ein großes.«
    »Glaubt Ihr, es könnte sich um die Soleil Royal handeln?«
    »Durchaus möglich, Madame. Vielleicht aber auch« – Ascot lächelte – »das, was von der Britannia übrig ist.«
    Das machte Eliza den Mann etwas unsympathisch; immerhin war er Engländer. Er gab sich sichtlich Mühe, Dinge zu sagen, von denen er vermutete, dass sie sie gern hörte; und seine Vermutungen waren nicht sehr interessant. Aus schierer Hoffnungslosigkeit schwieg Eliza einen Moment lang. In dieses Schweigen hinein setzte Ascot die Worte: »Diese Barkassen werden Informationen mitbringen, Madame; die Informationen, die der König von England benötigt, um seine Entscheidung zu treffen.«
    Eliza nickte, als leuchtete ihr das ein; doch was sie dachte, war erstens: Wie kann selbst ein Syphilitiker so geistesgestört sein sich einzubilden, die Invasion könnte immer noch stattfinden?, und zweitens: Wenn er sie nicht bald absagt, werde ich ein ernstes Problem bekommen. Sie schaute unwillkürlich zu den Kajütenfenstern und den drei geschlossenen Läden hinüber. Sie waren jetzt seit mindestens einer halben Stunde von Cherbourg aus sichtbar. Es waren Ereignisse in Gang gesetzt worden, über die sie keine Kontrolle mehr hatte.
    Seit kurzem konnte man von oben auf Deck Geschrei hören, was an Bord eines Schiffes völlig normal war, umso mehr, da vom Kanal her Barkassen einliefen, die Nachrichten brachten. Eliza hatte nicht weiter darauf geachtet. Nun allerdings hörte man ein dumpfes Platschen: Ein Mann oder etwas, das so groß war wie ein Mann, war über Bord gegangen.
    »Madame, ich bitte um die Erlaubnis, nachforschen zu dürfen, was...« begann Ascot.
    »Geht nur, geht!«, sagte Eliza auf Englisch, was Ascot so verblüffte,
dass er

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