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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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gerade Namur belagert. Und dort befindet sich höchstwahrscheinlich Graf Sheerness...«
    »Und deshalb wahrscheinlich auch Abigail«, sagte Bob, »denn wenn er den ganzen Sommer in dieser Gegend zu verbringen gedenkt, hat er seinen Haushalt mitgebracht. Na schön. Am schnellsten erreiche
ich diesen Teil der Welt, indem ich mich wieder den Black Torrent Guards anschließe und mich auf Kosten von König Wilhelm dorthin verschiffen lasse.«
    »Meint Ihr nicht, dass man Eure neunmonatige Abwesenheit bemerkt haben wird? Wie viele Prügel wird man Euch dafür wohl verabreichen?«
    »Ich habe für den Earl von Marlborough Militärspionage im feindlichen Lager betrieben«, gab Bob zurück; obwohl seine Miene und sein Tonfall vermuten ließen, dass ihm dies soeben erst eingefallen war.
    »Der Earl von Marlborough ist aus allen Ämtern entlassen und seines Kommandos enthoben worden. Seine Obristenstelle bei den Black Torrent Guards wird an irgendeinen Tory-Bonzen verkauft worden sein.«
    »Aber vor neun Monaten, als mein Spionageauftrag begann, war das noch nicht so.«
    »Eure Idee erscheint mir trotzdem riskant«, sagte Eliza, darauf bedacht, die Unterhaltung zu einem raschen Ende zu bringen, da es in ihrem Bauch erneut zu rumoren begonnen hatte.
    »Dann werde ich zuerst bei Marlborough vorfühlen, ehe ich mich beim Regiment präsentiere«, sagte Bob. »Ihr geht nach London! Ihr wärt wohl nicht bereit, ihm ein privates Schreiben von mir zu überbringen...?«
    »Da Ihr weder lesen noch schreiben könnt, soll ich wahrscheinlich auch noch die Feder für Euch ergreifen « , sagte Eliza und kehrte Bob den Rücken zu, um nach einem passenden Speigatt zu suchen. Sie hatte nicht das Gefühl, dass sie Zeit haben würde, den ganzen Weg bis zur Pütz zurückzulegen; außerdem saß dort bereits ein französischer Matrose, der ausgiebig in den Ärmelkanal schiss und dazu sang.
    »Ich weiß Euer Angebot zu schätzen«, gab Bob zurück. »Und da ich außerstande bin, einen angemessenen Brief an einen Earl zu formulieren, könnte ich Euch vielleicht auch dafür interessieren, ihn aufzusetzen …?«
    »Ich werde einfach mit ihm reden«, sagte Eliza und fiel auf Hände und Knie. Doch das Nächste, was aus ihrem Mund kam, war ganz und gar ungeeignet, einem Earl vorgelegt zu werden; worauf Bob jedoch taktvollerweise nicht eigens hinwies.

London
    4. JUNI (N.Z.)/25. MAI (A.Z.) 1692
    Wo Menschen auf falschen Fundamenten aufbauen, ist das Verderben umso größer, je mehr sie bauen.
    HOBBES, Leviathan
    Eliza sorgte sich und warf sich vor, zu spät gekommen und zu schlecht vorbereitet zu sein, aber nur bis zu dem Moment, in dem sie zum Kutschenfenster hinausblickte und die von Schiffen und Booten wimmelnden Wasser der Themse sah. Einen Moment lang erschien ihr das zu seltsam, um es glauben zu können. Dann ging ihr auf, dass diese Straße die London Bridge sein und dass die Kutsche eine der Feuerschneisen durchqueren musste, wo man freie Sicht hatte. Der Anblick des Flusses löste einen merkwürdigen Stimmungsumschwung bei ihr aus. Es war der Nachmittag des Tages, der von den Franzosen und dem größten Teil der restlichen Christenheit als 4. Juni und von den Engländern als 25. Mai bezeichnet wurde. Welchen Kalender man auch immer benutzte, Tatsache war, dass die Frist für die Wechsel nicht vor Ende des morgigen Tages ablief; mit anderen Worten, Eliza hatte London erreicht und noch mehr als vierundzwanzig Stunden Zeit. Und dies, obwohl sie die ganze letzte Woche – seit dem Tag, an dem Tourville im Kanal Russell angegriffen und der Nebel sich herabgesenkt hatte – sicher gewesen war, dass sie sich verspäten und dass das ganze Unternehmen fehlschlagen würde. Von jenem Augenblick bis zu diesem war es ihr erschienen, als wäre London unendlich weit weg und unmöglich zu erreichen. Nun, da sie es erreicht hatte, fragte sie sich, worum sie sich so gesorgt hatte. Denn London war schließlich eine große Stadt, und es reisten andauernd Leute dorthin – die Anzahl der über dem Pool in die Luft ragenden Masten verriet es. Vielleicht hatte sich Eliza übertriebene Vorstellungen von der Ferne der Stadt gemacht, weil es ihr vor drei Jahren, als Jean Bart ihr Schiff aufgebracht hatte, nicht gelungen war, dorthin zu entfliehen.
    Jetzt jedenfalls war sie über die Brücke und in der Stadt, ehe sie ans Ende dieser Überlegungen gekommen war. Gereizt zogen die Pferde
die Kutsche den Fish Street Hill hinauf, während der Kutscher ihnen gereizt die Peitsche um

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