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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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umgebracht, und Abigail habt Ihr nicht bekommen.«
    »Ich behaupte ja auch nicht, dass es ein vielversprechender Plan ist, aber es ist mein Plan, und so habe ich wenigstens etwas zu tun.«
    »Kann ich sie Sheerness nicht einfach abkaufen?«
    » Das würde Fragen aufwerfen. Was sollte Euch an einer englischen Sklavin gelegen sein?«
    »Das ist meine Sache.«
    »Und Abigail ist meine...«
    »Wäre Abigail auch dieser Meinung? Oder wäre Ihr der Plan lieber, der am ehesten zu ihrer Freilassung führt?«
    Diese Worte schienen Bob ein klein wenig aufzubringen. Er hatte ein Weilchen mit seinem Temperament zu kämpfen. Dann schmunzelte er. »Was soll ich mir den Mund fusselig reden, wo Ihr doch ohnehin genau das tut, was Euch beliebt, ganz gleich, was ich sage? Dann fahrt meinethalben nach Dünkirchen. Doch wenn meine Wünsche irgendein Gewicht haben, dann kümmert Ihr Euch um Euch selbst und nicht um mich. Denn ich glaube, Ihr seid in anderen Umständen. Das ist alles.«
    »Ich bin immer in anderen Umständen«, sagte Eliza, »aber die Männer
nehmen das immer nur dann zur Kenntnis, wenn es ihren Absichten entspricht.« Daraufhin schmunzelte Bob erneut, was sie erzürnte. »Wir wollen offen miteinander reden«, sagte sie, »denn hier trennen sich unsere Wege – Ihr müsst zum Tower, um Euren Herrn in seiner Gefängniszelle aufzusuchen, ich muss zum Hafen, um mir eine Überfahrt nach Dünkirchen zu besorgen.« Sie waren an der Kreuzung angelangt, wo die Grace Church Street ihren Namen in Fish Street änderte und sich zur Brücke hinabstürzte. Rechts von ihnen mündete die Great Eastcheap ein; unter dem Namen Little Eastcheap machte sie sich weiter auf den Weg in Richtung Tower. Einen Steinwurf weit den Hügel hinab ragte eine freistehende, gewaltige Säule über der Stadt auf, die einen Schattenfinger die Straße entlanglegte. Sie waren in die Nähe der Stelle gelangt, wo vor einem Vierteljahrhundert der Brand von London entfacht worden war. Die Säule war das Denkmal, das Wren und Hooke zum Gedenken daran errichtet hatten.
    »Wenn Ihr offen zu reden versprecht, weiß ich, dass ich mich auf einiges gefasst machen muss«, sagte Bob und lehnte sich an eine Ziegelmauer, als bräuchte er eine Stütze.
    »Ihr habt gesehen, wie mir übel wurde, und nehmt an, dass ich schwanger bin. Das hat stark an Euer Gemüt gerührt, denn Ihr wisst, dass Abigail von Upnor mit Syphilis angesteckt wurde und Euch vielleicht keine Kinder schenken kann, selbst wenn Ihr sie aus den Klauen von Graf Sheerness befreit. Ihr habt aufgehört, mich als ›Eliza, die Frau, mit der ich es ab und zu treibe‹ zu sehen, und seht mich stattdessen als ›Eliza, die künftige Mutter meines einzigen Kindes‹. Das hat Euer Urteil getrübt und dazu geführt, dass Ihr Pläne erwägt, die wahrscheinlich nicht zu Abigails Freilassung führen. Wisst also, dass ich vorletzte Nacht eine Fehlgeburt hatte und dass der Fötus – der von Euch oder von meinem Mann oder sonst einem von mehreren Männern gewesen sein könnte – bei den Engeln ist. Ich möchte meinem Mann gleichwohl einen tüchtigen Erben schenken und muss eine neue Schwangerschaft beginnen, sobald ich nach Frankreich gelangt bin. Vielleicht werde ich Jean Bart verführen, vielleicht auch den Marquis d’Ozoir oder irgendeinen Marinesoldaten, der auf der Straße mein Interesse weckt. Jedenfalls müsst Ihr die Hoffnung aufgeben, dass von hier« – und Eliza legte die Hand auf die Vorderseite ihres Mieders – »ein Nachkomme von Euch kommt, denn ich habe keine Lust mehr, die andere Frau im Leben von Bob Shaftoe und Abigail Frome zu sein. Keine Lust mehr, das berauschende Elixier zu sein, das Euch
Euren Schmerz vergessen lässt und dazu führt, dass Ihr Euch Hirngespinste zusammenträumt, die Euch oder ihr nicht das Geringste nützen. Abigail mag auf Euch warten, Bob. Ich tue es nicht. Also macht Euch an Eure Projekte.«
    Sie war Bobs Blick entschwunden, ehe die Worte bis zu seinem Herzen durchdrangen, denn sie war eine kleine, flinke Frau, die so rasch im Verkehr auf dem Fish Street Hill aufging wie ein Zuckerkristall in einem Strom kochenden Wassers. Bob rührte sich nicht, sondern ließ sich noch eine ganze Weile von der Ziegelmauer stützen, bis der Eigentümer – ein Versicherer – den Kopf zum Fenster hinausstreckte und ihn mit jenem Blick bedachte, mit dem feine Herren Landstreichern bedeuten, dass es Zeit für sie ist weiterzugehen. Bob besaß die Gabe des Soldaten, sich auch dann zu bewegen, wenn

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