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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Anschauen ausgebreitet waren, fiel einer Jack ins Auge, wie ein vertrautes Gesicht in einer Menschenmenge: ein quadratisches Stück blauer Kaliko, genau wie eins von Elizas Kleidern. Er beschloss, dass er jetzt besser eine Unterhaltung anfangen sollte.
    »Deine Geschichte erinnert mich an eine Frage, die ich eigentlich dem ersten Hindu stellen wollte, den ich treffe und der auch nur den blassesten Schimmer von dem hat, wovon ich rede«, sagte er.
    Unten in dem Palankin schreckte Surendranath aus dem Schlaf hoch.

    Padraig setzte sich ein wenig aufrechter in den Sattel und blickte verständnislos drein. »Aber niemand hat die letzten zwei Stunden ein Wort gesagt, Jack.«
    Surendranath war bereit mitzumachen. »In Hindustan gibt es vieles, was nach westlicher Auffassung einer Erklärung bedarf«, sagte er freundlich.
    »Bevor wir in der Nähe von Surat strandeten, bildete ich mir ein, ich hätte das ›Stan‹-Phänomen kapiert«, sagte Jack. »Türken leben in Turkestan. Balutschen leben in Balutschistan. Tadschiken leben in Tadschikistan. Natürlich bleibt keiner von ihnen in seinem jeweiligen -stan, was der Welt einen Haufen Ärger beschert, aber grundsätzlich ist alles wunderbar klar. Doch nun sind wir in Hindustan. Und ich nehme an, dass es damit bald vorbei ist, wenn wir diesen Weg einschlagen.« Jack fuchtelte mit dem rechten Arm, was, da sie nach Süden reisten, bedeutete, dass er in Richtung Westen gestikulierte. »Aber« – dabei beschrieb er mit dem linken Arm einen Bogen über volle acht Punkte des Kompasses von Süden bis Osten – »in diesen Himmelsrichtungen geht es praktisch ewig so weiter. Und jeder spricht eine andere Sprache, hat eine andere Hautfarbe und huldigt einem anderen Götzenbild; es ist genauso buntscheckig wie das da.« Er zeigte auf einen gescheckten Hang voller Weberinnen. »Weshalb ich mich nun frage, was die Grundlage für -stanheit oder -stantum ist. Wenn so viele von euch in einen -stantopf geworfen werden, müsst ihr doch irgendetwas gemeinsam haben.«
    Surendranath beugte sich in seinem Palankin vor und sah aus, als sei er im Begriff zu antworten, doch dann lehnte er sich mit einem leisen Lächeln unter den Doppelspiralen seines gewichsten Schnurrbarts zurück in die Kissen. »Das ist ein Geheimnis des Orients«, sagte er ernst.
    »Mann, ihr müsst euch einfach organisieren!«, sagte Jack. »Ihr habt ja nicht mal eine gemeinsame Regierung – hier oben sind es Mongolen, und wenn wir weiter nach Süden kämen, würden wir deinen Worten zufolge schon bald mit diesen Marathen zusammenstoßen, und noch weiter südlich sind es diese Teufel in Menschengestalt, die Moseh und Dappa und die anderen geschnappt...«
    »Deine Erinnerungen an diesen Tag sind zusammengelaufen wie die Farben von billig gefärbten Textilien im Monsunregen«, sagte Surendranath.
    »Entschuldige, aber damals habe ich versucht, nicht zu ertrinken.«
    »Genau wie ich.«

    »Wenn sie keine Teufel in Menschengestalt waren, warum bist du dann über Bord gesprungen?«, fragte Padraig.
    »Weil ich nach Surat wollte, und diese Piraten, wer oder was sie auch immer waren, hätten uns in die entgegengesetzte Richtung gebracht«, sagte Surendranath.
    »Was glaubst du dann, weshalb wir gesprungen sind?«
    »Ihr hattet Angst, es wären balutschische Piraten«, erwiderte Surendranath.
    Padraig: »Das sind doch die, die ihren Gefangenen die Achillessehnen durchtrennen, damit sie nicht entkommen können?«
    Surendranath: »Ja.«
    Jack: »Moment mal! Wenn sie Balutschen sind, folgt daraus, dass sie aus Balutschistan kommen. Das heißt, wenn sie dort bleiben würden.«
    Surendranath: »Natürlich.«
    Jack: »Aber Balutschistan ist doch dieses höllische Stückchen Erde, dass an Backbord vorbeizog – das Land, das drei Wochen lang heißen Staub auf uns erbrach.«
    Surendranath: »Die Beschreibung ist hart, aber fair.«
    Jack: »Wenn es überhaupt ein Land wäre, wäre es ein mohammedanisches.«
    Surendranath: »Balutschen sind Moslems.«
    Padraig: »Jetzt kommt mir alles wieder. Wir dachten zuerst , sie wären balutschische Piraten, weil sie in einem balutschisch aussehenden Schiff hinter uns herkamen. Was, wenn es gestimmt hätte, für uns alle gut gewesen wäre, außer für Dappa und dich, Surendranath, denn wir sind alle Christen oder Juden und somit Männer des Buchs. Unsere Achillessehnen waren sicher.«
    Surendranath: »Ich muss dich korrigieren: Für van Hoek war es nicht gut.«
    Jack: »Stimmt, aber nur, weil er, als wir in

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