Confusion
zufrieden seid. Doch die jüngsten Briefe meiner Freunde aus Frankreich sind von sehr bitterer Art, sodass ich mich gefragt habe, ob Ihr es nicht, wenn Ihr in den dunklen Nachtstunden im Bett liegt, zuweilen bedauert, dass Ihr Euch in jenen frühen Jahren, als Frankreichs Prosperität der Neid der Welt und sein Kredit so gut wie Gold war, nicht direkter um Eure eigenen Interessen gekümmert habt.
Es wäre nachlässig von mir, Euch nicht von einer bestimmten Gelegenheit zu unterrichten. Wie Ihr wisst, hat Frankreich von alters her zu jeder Zeit einer Anzahl verschiedener Gläubiger Geld geschuldet. Ein Teil der Aufgabe des contrôleur-général besteht darin, dafür zu sorgen, dass diese Verpflichtungen erfüllt werden, indem er sie bestimmten Einkommensquellen zuweist. Wenn Frankreich beispielsweise Signore Fiorentino so und so viele livres schuldet, könnte der contrôleur-général zu irgendeinem französischen Grafen gehen und sagen: »Wenn Ihr dieses Jahr die
Steuern auf Eure Ländereien einzieht, schickt den Ertrag bitte Signore Fiorentino, denn wir schulden ihm Geld.« Das hat unter anderem zur Folge, dass nicht alle französischen Staatsschulden von gleichem Wert sind; denn wenn der Graf im oben genannten Beispiel honnête, seine Ländereien ertragreich und das Wetter gut wären, bekäme Signore Fiorentino sein Geld prompt und vollständig zurück, während ein anderer Gläubiger, dessen Darlehen einer weniger verlässlichen Einkommensquelle zugeordnet ist, vielleicht mit weniger dastünde. Ebendiese Variabilität macht die Arbeit des contrôleur-général so unendlich fesselnd, von profitabel ganz zu schweigen. Denn weder Recht noch Sitte hindern den contrôleur-général daran, zweifelhafte Forderungen selbst zu kaufen und sie dann verlässlicheren Einkommensquellen zuzuweisen, sodass sie plötzlich mehr wert wären. Das ist eine Vergünstigung des Amts, und kein Mensch würde sich etwas dabei denken, wenn Ihr davon Gebrauch machtet.
Wie es sich trifft, kaufe ich seit mehreren Jahren solche nicht erfüllten Forderungen von diversen Kleinadeligen, die ihren Teil dazu beigetragen haben, dem König zu Diensten zu sein, als der gegenwärtige Krieg ausgebrochen ist. Die Gesamtzahl solcher Transaktionen liegt mittlerweile in den Hunderten. Die Kapitalsumme aller dieser Forderungen liegt zusammengenommen bei etwas über einer halben Million livres, obwohl ich sie für weniger als ein Viertel dieses Betrags erworben habe. Ich werde sie nun Euch verkaufen, Monsieur, und zwar genau für den Betrag, den ich dafür bezahlt habe, plus ein soupçon von fünf Prozent. Wenn es Euch, wie ich vermute, an den flüssigen Mitteln fehlt, die zum Abschluss einer solchen Transaktion notwendig sind, werde ich Euer Wort als Edelmann akzeptieren und erst dann an Rückzahlung denken, wenn Ihr die Muße gefunden habt, alle diese Obligationen in angemessene Einkommensquellen umzulenken. Sobald Ihr das zuwege gebracht habt, müsstet Ihr dafür sorgen können, dass jedes dieser Darlehen vollständig zurückgezahlt wird, sodass Ihr theoretisch das Vierfache dessen herausbekommt, was Ihr mir schulden werdet.
Dankbarkeit wird nicht erwartet noch verlangt; wie stets ist es mein einziger Wunsch, zu Diensten zu sein.
Eliza, Duchesse d’Arcachon
Rossignol an Eliza
APRIL 1694
Madame,
wenn Euch dieses Schreiben erreicht, befindet Ihr Euch hoffentlich auf einer ordentlichen, wohlgeführten Zille auf halbem Wege elbaufwärts. Bitte verzeiht mir die unbeherrschten Bemerkungen, die in meinem letzten Brief enthalten waren. Die Situation ist allerorten so plötzlich so bizarr geworden, dass ich nicht weiß, was ich davon halten soll. Es heißt, halb London – die bessere Hälfte – sei verlassen. Weil es kein Silber gibt, haben Standespersonen keine Möglichkeit, Pachteinkünfte von ihren Besitzungen auf dem Land in die Stadt zu schaffen; ihnen bleibt also keine andere Wahl, als ihre Stadthäuser zu vernageln und aufs Land zu ziehen, wo sie vom Tauschhandel leben können. Für die Whigs scheint es der denkbar schlechteste Moment zu sein, die Macht zu übernehmen und den Marquis von Ravenscar zum Schatzkanzler zu bestellen; aber vielleicht verhält es sich ja auch so, dass er, wie Ihr, irgendeine Gelegenheit wahrnimmt, wo andere nur Konfusion sehen, und sich diesen Moment zum Zuschlagen ausgesucht hat.
Zur Sache. Ihr habt nach den neuesten Nachrichten über die Esphahnians gefragt. Ich werde Euch sagen, was ich weiß.
Ihr werdet Euch
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