Confusion
besonders jene von den Piraten, mit denen er zusammen auf Fahrt sei; denn in dem gestohlenen Schatz versteckt sei etwas von unvorstellbarem Wert, was nur Jack und dem Juden bekannt sei, was sie jedoch ihren Spießgesellen verschwiegen.
Der gefälschte Brief schloss damit, dass er Vrej inständig bat, sich nicht allzu sehr um das Schicksal seiner Familie in Paris zu sorgen, denn sie hätten, gelobt sei Gott, endlich einen Verbündeten und Beschützer gefunden, nämlich einen gewissen Pater Édouard de Gex, einen frommen Mann, der über das ganze, der Familie angetane Unrecht Bescheid wisse und einen feierlichen Eid geschworen habe, dafür zu sorgen, dass Gerechtigkeit geschehe.
Diese Fälschung wurde im Dezember 1692 an Vrej nach Hindustan geschickt. Im folgenden April – etwa vor einem Jahr – ging Vrejs Antwort ein, und die roten Buchstaben hätten mit einem unheiligen Gemisch aus Blut und Feuer geschrieben sein können, so sehr waren sie mit Zorn und Rachsucht durchtränkt. »Der Herr hat ihn mir ausgeliefert!«, sagte de Gex, nachdem er den Brief gelesen hatte. Ich glaube, er meinte eher Jack Shaftoe als Vrej. Jedenfalls stellten wir eine gefälschte Version her, deren unsichtbarer Text natürlich ganz anders lautete. In dieser Version
gratuliert Vrej seiner Familie zu ihrem Glück und bittet darum, mehr über das prächtige Café Esphahan zu erfahren etc.
Auf diese Weise gingen zwischen Vrej und seinen Brüdern noch einige Briefe hin und her. Jedes Wort darin ist natürlich durch Kopf und Hand von de Gex gegangen und auf die eine oder andere Weise verdreht worden, sodass Vrej und seine Brüder ein vollkommen unterschiedliches Bild von den Vorgängen gewonnen haben.
Hättet Ihr Euch die Mühe gemacht zu fragen, hättet Ihr dies alles schon vor Eurer Abreise nach Deutschland erfahren können. Seither ist jedoch nur noch ein Brief von Vrej eingegangen.
Dieser Brief wurde am Hof des Großmoguls in Shahjahanabad geschrieben, wo Vrej (so malt man sich aus) auf seidenen Kissen ruht und von juwelengeschmückten Jungfrauen mit geschälten Trauben gefüttert wird, da er, und was von seiner Piratenbande übrig war, eine große Schlacht gegen die Maratha-Rebellen gewonnen und dadurch die Landstraße von Surat nach Delhi wieder passierbar gemacht hatten. Vrej erzählt die Geschichte ziemlich detailliert. Die Kunde davon ist bereits über mehr als einen Kanal an die Höfe Europas gelangt, und so werde ich hier nicht viel darüber sagen, weil ich annehme, dass Ihr andere Berichte gehört oder gelesen habt. Die allgemeine Tendenz von Vrejs Brief geht dahin, dass er in Shahjahanabad zwar mit Belohnungen überschüttet werde, aber keine Freude daran finden könne, solange er wisse, dass seine Angehörigen in Paris leiden; er würde denn auch augenblicklich nach Hause kommen, wenn nicht dieser fromme Wohltäter Pater Édouard de Gex wäre, der sich nun um die Familie kümmere. Er gedenke stattdessen in Hindustan zu bleiben, um der Geschichte auf den Grund zu gehen, die ich oben erwähnt habe – nämlich dass in dem Schatz von Bonanza etwas unschätzbar Wertvolles verborgen sei. Man würde meinen, dass dies unwiederbringlich verloren sei; doch Vrej berichtet, einige Mitglieder der Piratenbande seien von den Malabar-Piraten gefangen genommen worden. Es besteht die Möglichkeit, dass nicht alle auf der Stelle umgebracht, bald darauf zu Tode gefoltert oder in den Wahnsinn getrieben worden sind; das heißt sie sind in Malabar, leben noch und wissen etwas über den Verbleib des verlorenen Schatzes.
Für seine dem Großmogul erwiesenen Dienste ist Jack Shaftoe
auf drei Jahre zum König einer Region im südlichen Hindustan gemacht worden, was, so bizarr es auch klingt, eine bei diesem Potentaten durchaus übliche Methode ist, seine Generale zu belohnen. Bald werden Jack und die Überreste seiner Bande in sein neues Königreich reisen, damit er gekrönt werden kann. Vrej geht mit ihnen und verspricht, seiner Familie Neuigkeiten zu schreiben, sobald es welche mitzuteilen gibt und er die Mittel besitzt, sie aufzugeben.
Das ist alles. Pater Édouard, der auf eindeutigere Nachrichten hoffte, ist außer sich und teilt seine Zeit zwischen drei Betätigungen auf: Erstens stößt er Flüche aus, wie man sie von einem Priester eigentlich nicht hören dürfte. Zweitens kocht er vor Wut und versucht sich weitere Flüche zu verkneifen. Drittens tut er in diversen Kirchen und Kapellen Buße, um Vergebung dafür zu erlangen, dass ihm Flüche
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