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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Kiefer eines Krokodils aufstemmen, und so packte er dieses hier und klemmte es sich unter den Arm.
    Dann bahnte er sich – so schnell ein Mann mit einer Hühnergurgel in jeder Faust über feuchte, glitschige Baumwurzeln laufen konnte – einen Weg zum Flussufer, wo er gerade noch die Masten vorbeigleiten sah. Sie hatten eine Stelle erreicht, wo der Fluss breiter und langsamer wurde und der auf den Boden sinkende Schlick unter Wasser eine Barriere bildete. Jack betete, dass die Masten daran hängen blieben. Aber Königin Kottakkals Lakaien hatten die Masten natürlich mit Schwimmern versehen, damit sie hoch auf dem Wasser lagen und das nicht passierte.
    Die Masten waren zehn Yard entfernt und bewegten sich mit einer raschen Gehgeschwindigkeit. Die Wasserfläche zwischen ihnen und ihm war trübe und ruhig und nur durch Nasenlöcher und Augäpfel aufgebrochen, von denen manche beunruhigend weit auseinander standen. Jack schätzte die Zahl der Tiere auf irgendwo zwischen acht und einem Dutzend. Sie hatten ihn beobachtet und fingen nun an, in seine Richtung zu kreuzen.
    Etwa so hatte die Königin es geplant. In wenigen Minuten würden die Masten mühelos über die Sandbank hinweggleiten und sich ins Hafengewässer flüchten, das viel tiefer und kabbeliger war. Darin konnte Jack nicht schwimmen; um diese Masten anzuhalten, musste er seinen Schritt hier im seichteren Wasser tun, nur lauerten eben hier auch all die Krokodile.
    Versuchsweise schleuderte Jack eines der Hühner hinaus. Es fiel nicht und flog nicht, sondern wanderte eine Zeitlang durch die Luft, bevor es mit einer Flügelspitze im Wasser hängen blieb, abbremste und hineinplumpste. Sein Kopf kam noch einmal hoch, um zu gackern. Dann wurde die Wasseroberfläche durch einen Oberkiefer vom Ausmaß einer Wirtshausbank durchbrochen. Jack erhaschte nur einen kurzen Blick darauf. Das Huhn verschwand wie eine ins Wasser geworfene Kerzenflamme.
    Genau wie die Franzosen waren Krokodile, was sie waren, und
taten, was sie taten, und hielten nichts von Heuchelei oder Entschuldigungen, und das gab ihnen einen Aplomb, den Jack auf eine Weise bewundernswert fand. Er wünschte nur, Gott würde ihm ein paar mehr zur Klasse der Säugetiere gehörende Feinde schicken. Obwohl ja im Grunde genommen nichts offenkundiger war als die Tatsache, dass Königin Kottakkal ein Säugetier war – aber sie war eben auch seine Feindin. Vielleicht war das also nur ein nomineller Unterschied.
    Die einzige Möglichkeit, die Jack einfiel, bestand darin, das andere Huhn in eine andere Richtung zu werfen und die Aufmerksamkeit der Krokodile lange genug abzulenken, um sich selbst hineinstürzen zu können. Das wiederum erforderte eine Verlagerung seiner Lasten von einer Hand in die andere – das zweite Huhn wechselte in seine rechte, der Bambusstock in seine linke. In dem Moment wurde ihm erst bewusst, dass der fragliche Stock an einem Ende eine mit Widerhaken versehene metallene Spitze besaß. Es war ein Fischspeer. Am anderen Ende baumelte ein Seil – Jack hatte es, während er durch den Sumpf rannte, ohne es zu wissen, hinter sich hergeschleift. Jetzt riss er heftig daran. Der Knoten an seinem anderen Ende (der verhindern sollte, dass das Seil dem Fischer aus der Hand glitt) sprang von einer Mangrovenwurzel ab und kam auf ihn zugeflogen. Jack ließ den Speer fallen und fing den Knoten aus der Luft. Zehn Sekunden später war das Seil um den Hals des zweiten Huhns geschlungen. Nun warf Jack das Huhn in eine vorübergehend krokodilfreie Zone etwa auf halbem Weg zwischen ihm und den Masten. Die Krokodile näherten sich dieser Stelle natürlich von überall her, wobei ihre warzigen Rücken die Wasseroberfläche anhoben, ohne sie zu durchbrechen. Das nutzte Jack aus, um ins Wasser zu springen, mehrere Schritte vorwärtszuwaten (das Wasser reichte ihm bis zur Mitte der Oberschenkel) und den Speer in einem hohen Bogen über die Masten zu schleudern. Er landete flach im Wasser jenseits von ihnen. Jedenfalls vermutete Jack das von den Geräuschen her – er konnte sich nicht damit aufhalten, seine Flugbahn zu verfolgen, da zwei Krokodile bereits übereinanderkletterten, um ihn zu erreichen. Jack wich hastig zu den Mangroven zurück und zog, bevor er sich umdrehte, sein Schwert.
    Das zweite Huhn war längst ohne lästiges Kauen von einem großen Krokodil verschlungen worden. Das Seil hing immer noch daran – es lief den Schlund des Krokodils hinauf aus seinem Maul und mehrere Yard durchs Wasser über die

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